Udo Wachtveitl kritisiert "Tatort" "Schlampig, langweilig, schlecht, unglaubwürdig, mies"

München · Udo Wachtveitl spielt seit mehr als 22 Jahren den Münchener "Tatort"-Kommissar Franz Leitmayr. Am Sonntag ist er in der neuen Folge "Am Ende des Flurs" (ARD, 20.15 Uhr) zu sehen. Im Interview mit unserer Redaktion spricht Wachtveitl über seine Zeit als "Tatort"-Kommissar und warum er manche Folgen sehr kritisch sieht.

Szenenbilder aus "Tatort: Am Ende des Flurs"
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Außerdem spricht der Münchener Schauspieler über die zweite Staffel von "Im Schleudergang", die derzeit im Bayrischen Rundfunk (freitags, 22 Uhr) ausgestrahlt wird. Dort spielt er einen ehemaligen Opernsänger, der sich mit Gesangsstunden über Wasser hält und bei einer Freundin zur Untermiete lebt.

Herr Wachtveitl, in Deutschland kennt man Sie vor allem als Münchener "Tatort"-Kommissar Franz Leitmayr. Die Rolle spielen Sie seit mehr als 22 Jahren. Warum macht das immer noch Spaß?

Wachtveitl Das hat damit zu tun, dass der Münchener "Tatort" immer wieder überraschende Drehbücher hat. Bei uns kann man sich nie wirklich sicher sein, was kommt. Das ist zum Beispiel bei den Kollegen in Münster anders. Hinzu kommt aber auch, dass ich mich mit meinem Kollegen Miro Nemec, der den Kommissar Ivo Batic spielt, immer noch gut verstehe — sonst könnte ich es wirklich nicht so lange machen.

Was verändert sich so mit den Jahren?

Wachtveitl Na, schauen Sie doch mal meine Haarfarbe an! Aber im Ernst: Vom Spielstil sind wir selbstverständlicher geworden. Wenn einem im Alter von um die 30 so eine Rolle angeboten wird, dann will man diese Jacke auch ausfüllen und pumpt sich manchmal ein bisschen auf. Zum Beispiel habe ich zu Beginn immer versucht, besonders streng-kommissarisch dreinzublicken. Ich kann das heute manchmal echt nicht mehr anschauen.

Der "Tatort" erzielt sonntags Rekordquoten. Doch die Reihe hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert — manche Folgen sind zu regelrechten Action-Filmen geworden. Wie beobachten Sie die Veränderung?

Wachtveitl Also ich finde es gut, dass der "Tatort" eine Genre-Gehäuse liefert, das auch immer mal wieder ausgedehnt werden kann. Aber es stört mich, wenn die Marke "Tatort" durch schlechte Produktionen beschädigt wird. Bei manchen Folgen habe ich den Eindruck, dass das passiert. Namen möchte ich hier aber keine nennen.

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Foto: dpa, Sven Hoppe

Das müssen Sie erklären.

Wachtveitl Ich sehe immer wieder schlampig gemachte, langweilig inszenierte, schlecht gespielte und unglaubwürdige, miese Fernsehprodukte unter dem Label. Das ärgert mich. Damit darf man kein Schindluder treiben. Man muss wissen, dass es eine fast einmalige Situation ist, so etwas zu haben. Denn es gibt viele Leute, die nur deshalb einschalten, weil es ein "Tatort" ist — sie wissen vorher noch gar nicht, worum es geht. Die darf man nicht mit schlechten Produkten vor den Kopf stoßen, man muss sie fair bedienen.

Was sollte sich ändern?

Wachtveitl Ich finde, dass die Marke "Tatort" überdehnt wird. Der besondere Charakter, den "Tatorte" haben, geht verloren, wenn man täglich einen im Fernsehen schauen kann. Die Folgen — auch die wenig gelungenen - werden zu oft durch die Wiederholungsmaschine genudelt.

Gibt es mittlerweile auch zu viele Ermittler-Teams?

Wachtveitl Die Schlagzahl der neuen Produktionen hat sich enorm erhöht, das ist richtig. Das ist am Ende eher schädlich, wenn nicht jedes Mal eine Super-Qualität dabei rauskommt — aber das geht ja gar nicht. Eine Konzentration würde mir da besser gefallen.

Die Playlist des "Tatort: Kaltstart"
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Foto: NDR/Boris Laewen

Sie machen sich also Sorgen um das Label "Tatort"?

Wachtveitl Noch nicht, aber kritisch prüfen schadet nie. Man muss sich allerdings dann Sorgen machen, wenn es nach dem Motto weitergeht: "Das läuft eh so gut, da müssen wir uns keine Mühe mehr geben."

Wäre das ein Moment, wo auch Sie einen Schlussstrich unter Ihre "Tatort"-Zeit ziehen würden?

Wachtveitl Ich werde nicht aus Protest aufhören, nur wenn in anderen Sendeanstalten schlechte "Tatort"-Produktionen gemacht werden. Solange ich mit dem Miro Nemec gute Filme machen kann, solange es mir Spaß macht und natürlich solange uns das Publikum sehen mag, werde ich auch weiterhin neue Folgen drehen. Aber ob wir das bis ins "Rollator-Alter" machen, werden wir sehen.

Neben dem Tatort sieht man Sie derzeit auch in der zweiten Staffel der Serie "Im Schleudergang". Sie spielen dort einen ehemaligen Opernsänger, der sich mit Gesangsstunden über Wasser hält und bei einer Freundin zur Untermiete haust. Was hat Sie an der Serie gereizt?

Wachtveitl Ich muss sagen, dass ich anfangs schon einige Vorbehalte hatte, als ich die Bücher bekam. Sie waren — im wörtlichen Sinne - sehr dünn, deshalb bin ich von einem kleinen Vorabendformat ausgegangen. Da wird oft mit der heißen Nadel gestrickt, häufig gibt es nur ein geringes Budget und wenig innovative Drehbücher. Aber nach dem Lesen war mir klar: Bei "Im Schleudergang" ist das nicht so. Der Autor hat es wunderbar geschrieben, ich war schnell überzeugt.

"Im Schleudergang" ist ein sehr kleines Format, das auch nur im Bayrischen Rundfunk gezeigt wird. Hätten Sie sich nicht einen prominenteren Sendeplatz gewünscht?

Wachtveitl Natürlich. Allerdings sind die Figuren in ihrer Art und ihrem Dialekt typisch für München — ich weiß nicht, ob Menschen in anderen Bundesländern so sehr darüber lachen können. Und man kann es auch so sehen: Die edelsten Edelsteine werden ja auch nicht in den größten Geschäften verkauft.

Dabei sorgten in Deutschland bayrische Serien und Filme bundesweit immer wieder für große Erfolge.

Wachtveitl Das stimmt. Es gibt eine Tradition von bayrischen Komödien. Woran das liegt, darüber kann man lange philosophieren. Ich glaube, viele Leute verbinden mit Bayern noch so etwas wie ein gesundes Bild von Heimat — mit seinen intakten Landschaften. Das Image hat sich festgesetzt. Warum der Dialekt allerdings zu den beliebtesten in Deutschland gehört, kann ich mir nicht erklären. Ich finde es auch völlig unverdient, dass beispielsweise Sächsisch und Schwäbisch so weit hinten anstehen.

Über die Bayern wird aber auch viel geschmunzelt...

Wachtveitl Die Bayern werden belächelt, beneidet und manchmal auch gehasst. Mal sind wir die Hinterwäldler, dann wieder der Klassenprimus, dann mag man uns nicht wegen dieses erschreckend erfolgreichen Fußballvereins. Mei, da kann man sich nicht immer drüber ärgern. Das ist halt so.

(RP)
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