TV-Show "Überzeugt uns!" Kiffen statt Diesel vor gequälten Gesichtern

Düsseldorf · Mit "Überzeugt uns! Der Politikercheck" bringt die ARD junge Wähler live in Kontakt mit Politikern. Das Aufeinandertreffen gerät jedoch in vielen Situationen zur Farce.

 Ronja von Rönne und Ingo Zamperoni moderierten die Live-Sendung.

Ronja von Rönne und Ingo Zamperoni moderierten die Live-Sendung.

Foto: SWR Carolin Saage

Nur wenige Tage nach der Youtube-Live-Show mit Angela Merkel bringt das Erste ein weiteres Format mit jungen Wählen. Der "Politikercheck" wirkt auf weiten Strecken allerdings eher wie eine weitere Chance für politische Medienprofis, sich zu profilieren. Den wenigsten der sieben Gäste allerdings gelingt das.

Ralf Stegner (SPD), Cem Özdemir (Grüne), Katja Kipping (Linke) und AfD-Mitgründer Alexander Gauland ernten teilweise Applaus. In der Redezeit von Alexander Dobrindt (CSU) und Katja Suding (FDP) hält sich das Publikum eher zurück. Verlierer des Abends in der Berliner Kulturbrauerei war Jens Spahn (CDU), der mit teils trotzig wirkenden Äußerungen immer wieder die engen Zeitvorgaben sprengt. Verlierer ist jedoch auch das junge Publikum — sofern es sich etwas anderes von den Politikern erhofft hatte als das, was diese sonst von sich geben.

Das hektische Format von "Überzeugt uns!" hatte schon vor der Bundestagswahl 2013 gemischte Kritiken provoziert. Es wirkt auch diesmal überzogen, die knappen Redezeiten machen es den Anwesenden schwer, sich sinnvoll — oder wenigstens unterhaltsam — zu Drogenpolitik, Wohnungsmarkt und Integration zu äußern. Dobrindt, Stegner und Kipping holen immer wieder zu weit aus, um ihre Gedanken in den teils nur 15 Sekunden dauernden Antwortzeiten auszuformulieren. Cem Özdemir und Katja Suding gehen bald klug dazu über, nur noch kurze Sprachsalven abzufeuern und sich dann süffisant zurückzulehnen.

Derbe Einspieler

Zwischen den Mini-Diskussionen müssen die Gäste Fragen von Facebook-Nutzern beantworten oder auf die durchdachten, teils derben Einspieler des Youtube-Comedians Schlecky Silberstein vom "Bohemian Browser Ballett" reagieren. In einem Film besteigt Silberstein eine Seniorin, damit diese ihre Stimme bei der Bundestagswahl zugunsten der Jugend abgibt — Publikum und Politiker erstarren mit festgefrorenem Lächeln.

Die Zuschauer wirken auch bei den Themen Renten und Wohnungsmarkt gequält, es fallen Begriffe wie "Rahmenbedingungen", "Volatilität" und "Wertschöpfung", obwohl Moderatorin Ronja von Rönne darauf hinweist, dass die Aufmerksamkeitsspanne der jugendlichen Zuhörer nur die Dauer eines Katzenvideos habe.

Mehrfach versucht sie es mit Slapstick-Humor, doch die Stimmung im Studio lässt sich auch nicht retten, als sie Gauland ein "Reinheitsgebot" für Cannabis in den Mund legen will. Der schaut bei seinen Reden ständig auf den Tisch und versucht, sich nicht in die Rolle der Witzfigur drängen zu lassen, die er in der Runde offenbar spielen soll.

Peinlicher Höhepunkt

Ein Kurzfilm über eine junge Frau illustriert die Wohnungsnot in Stuttgart. Anschließend fragt von Rönne die Frau, ob sie denn nun von einem der Anwesenden "überzeugt" sei. Sie verneinte, kurzes allgemeines Lachen, weiter geht‘s. Irgendwie wird man die 90 Minuten schon rumkriegen.

Als es am Ende um den persönlichen Marihuana-Konsum geht, werden die Gäste in einer Kurzfrage-Runde zumindest einmal zu unbequemen Antworten gereizt. Für ihn sei das letzte Mal schon sehr lange her, sagt Özdemir. Spahn meint, einmal habe ihm gereicht. Stegner und Kipping reichen sich geistig die Hand, indem sie beide eine Entkriminalisierung fordern. Als die Linken-Politikerin Kipping den CSU-Mann Dobrindt noch schnell auf das Thema Autoindustrie festnageln will, unterbricht Co-Moderator Ingo Zamperoni mit einem Witz, der noch einmal deutlich macht, welches Niveau die Sendung seinen Zuschauern unterstellt: "Kiffen statt Diesel".

(bur)
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