Talkrunde bei Anne Will Auch Verona Pooth hat Sexismus erlebt

Düsseldorf · Wenn Verona Pooth in einer TV-Talkshow zum Thema Sexismus spricht, werden alle hellhörig. Bei Anne Will im Ersten sagte die Werbe-Ikone: "Man darf verführerisch aussehen, aber man darf nicht angefasst werden" - und berichtete von eigenen Erfahrungen. Für Diskussionen sorgt eine Kamerafahrt über Pooths Beine.

Anne Will: Moderatorin im Porträt – von der Sportschau zum eigenen Talk
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Darum ging's

Nach den Enthüllungen um US-Filmproduzent Harvey Weinstein schildern weltweit vor allem Frauen im Internet unter dem Hashtag #MeToo ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt und alltäglichem Sexismus. Die öffentliche Empörung ist groß, fast täglich werden neue Fälle bekannt. Und es wird viel diskutiert. Anne Will fragte am Sonntagabend ihre Gäste, ob die Sexismus-Debatte etwas ändern kann - oder ob es sich um ritualisierte Empörung handelt, die bald wieder abflachen wird.

Darum ging's wirklich

Um Sexismus allgemein und wie Frauen in Deutschland ihn erleben und einschätzen. Wenn Verona Pooth zu so einem Thema im Fernsehen spricht, zieht sie die Aufmerksamkeit auf sich. Mit Laura Himmelreich saß eine Frau in der Talk-Runde, die zu diesem Thema etwas zu sagen hatte: Mit einem Artikel über Rainer Brüderle löste die damalige Stern-Redakteurin im Jahr 2013 selbst eine Sexismus-Debatte aus - damals unter dem Hashtag #Aufschrei.

Die Gäste

  • Gerhart Baum (FDP), ehemaliger Bundesinnenminister
  • Laura Himmelreich, Chefredakteurin Vice.com Deutschland
  • Verona Pooth, Moderatorin und Unternehmerin
  • Ursula Schele, Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe
  • Heike-Melba Fendel, Künstleragentin und Autorin

Der Frontverlauf

Die Diskussion verlief sachlich, wenngleich ohne erkennbaren roten Faden. Laura Himmelreich stellte fest: Man sei heute deutlich weiter als vor vier Jahren. Damals hätten viele noch in Frage gestellt, ob es überhaupt ein Problem gebe. "Wir sind einen Schritt weiter: Wir wissen, dass wir ein Sexismusproblem haben - anders als vor vier Jahren", sagte Himmelreich, heute Chefredakteurin des Magazins "Vice.com".

Für den früheren Innenminister Gerhart Baum (FDP) ist die aktuelle Debatte "absolut notwendig", denn sie lege den Alltagssexismus offen. Es gebe ein Machtgefälle und Abhängigkeiten, häufig zuungunsten von Frauen. "Wir müssen die Frauen stärken in ihrer Rolle in der Gesellschaft, denn das, was jetzt in dem Alltagssexismus passiert, ist ein Angriff auf die Menschenwürde", sagte Baum, der sich nach seiner Politikerkarriere bei Menschenrechtsorganisationen engagiert. Angesprochen auf die geringe Anzahl weiblicher FDP-Abgeordneter im Bundestag (sie stellen einen Anteil von 22,5 Prozent), sagte er: "Ich würde meiner Partei gerne eine Quote verordnen."

Verona Pooth kennt Sexismus

Und dann saß da noch Verona Pooth, die einige steile Thesen in den Raum stellte ("Wer zieht bei Weinstein im Hintergrund die Fäden?"; "Die ganze Welt, alle wie wir hier sind, haben das alles irgendwie gewusst und die nie richtig verurteilt."). Die Moderatorin und Werbefigur ist der Ansicht: "Wenn ich die Klappe aufmache, bin ich zwar eine starke Frau, aber ich bin den Job los." Das gehe der aufstrebenden Rechtsanwältin genauso wie der Köchin. Pooth hat nach eigener Aussage in ihrer Karriere auch Sexismus erlebt: "Natürlich sind mir auch solche Dinge widerfahren. Aber nie eine Nötigung in einer Form, die mir einen Schaden zugefügt hat", sagte die 49-Jährige.

Frauen werde häufig vorgeworfen, durch verführerisches Aussehen oder aufreizende Kleidung Sexismus hervorzurufen - dies sei völlig falsch. "Man darf verführerisch aussehen, aber man darf nicht angefasst werden", sagte Pooth.

Künstleragentin redet sich um Kopf und Kragen

Heikel wurde es, als Heike-Melba Fendel, die als Künstleragentin unter anderem Maria Furtwängler und Bettina Böttinger vertritt, sich zum Thema Kevin Spacey äußerte: Indem man "einem der besten Schauspieler der Welt" Berufsverbot erteile, vergehe man sich "am Kino und dem, was Kino ist". Als Pooth schimpfte, Spacey sei ein "Kinderschänder", wehrte Fendel ab: "Kinderschänder geht gar nicht. Erstens ist das nicht bewiesen, zweitens ist er Schauspieler." Was folgte, war Empörung im Studio - und Fendel schaffte es gerade noch so, die Situation zu retten, indem sie sagte: "Wir als Zuschauer müssen uns nicht dafür schämen, ein künstlerisches Produkt zu konsumieren, weil der Protagonist unter dem Verdacht steht, das getan zu haben."

Fazit

Positive Erkenntnis des Abends in Himmelreichs Worten: "Heute würden wir keiner Frau mehr vorwerfen, sie sei hysterisch, nur weil sie sich gegen sexuelle Belästigung oder einen sexistischen Übergriff wehrt. Da ist extrem etwas passiert in den letzten Jahren." Dass die Debatte empfindlich und aufgeheizt bleibt, zeigte sich im Anschluss an die Sendung: Einige Nutzer empörten sich auf Twitter, die Regie der ARD-Show habe das Thema Sexismus ab absurdum geführt, weil die Kamera Pooths Beine zeigte und die 49-Jährige von unten nach oben abfuhr.

Zitate des Abends

"Wenn ich in der Stadt sitze und ess' ein Stück Erdbeerkuchen mit Schlagsahne, kann ja auch nicht einer vorbeikommen, abbeißen und sagen: 'Joa, den musst du zu Hause essen!'." (Verona Pooth)

Mit Material der dpa.

(oko)
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