Tagebuch einer ungewöhnlichen Begegnung Was macht eine Stripperin im Kloster?

München (rpo). Abendstimmung am Bodensee. Die 47-jährige Schwester Lioba Brand von den Steyler Missionsschwestern erwartet einen ungewöhnlichen Gast: Jessy B., mit 23 Jahren nicht einmal halb so alt wie sie, die ihr Geld mit Tabledance und Internet-Sex verdient, soll eine Woche lang das Klosterleben kennen lernen. Viele Zuschauer sahen die ungewöhnliche Dokumentation am Mittwoch in der ARD.

 Die Stripperin Jessy B. (links) und Ordensschwester Lioba verbringen jeweils einige Tage in der Welt der anderen.

Die Stripperin Jessy B. (links) und Ordensschwester Lioba verbringen jeweils einige Tage in der Welt der anderen.

Foto: HR/Antonella Berta

Mit einem Taxi fährt Jessy vor. Kurz darauf stehen sich die junge Frau mit den langen roten Haaren und die 46-jährige Nonne gegenüber - der Beginn einer nicht alltäglichen Begegnung. Arrangiert hat dieses Treffen Antonella Berta aus Frankfurt für ihren Film "Nonne trifft Stripperin. Tagebuch einer ungewöhnlichen Begegnung".

In einer aufwändigen Recherche hat die Filmemacherin und Journalistin den Kontakt zu verschiedenen Orden gesucht, um eine Schwester zu finden, die bereit war, eine im Sex-Gewerbe arbeitende Frau kennen zu lernen. "Ich habe 297 Mails verschickt und viele Absagen bekommen, aber auch 8 oder 9 interessierte Antworten", berichtet die Autorin. In Schwester Lioba von den Steyler Missionsschwestern fand sie schließlich ihre Protagonistin.

Reportage in fünf Kapiteln

Die Reportage gliedert sich in fünf Kapitel. Das erste zeigt Jessys Ankunft und ihren ersten Tag im Kloster. Der beginnt um fünf Uhr morgens mit dem Gang zur Kirche. Die in Ostdeutschland ohne religiöse Bindungen aufgewachsene junge Frau erlebt zum vierten Mal in ihrem Leben einen Gottesdienst. Danach heißen im Frühstücksraum Liobas Mitschwestern Jessy willkommen. "Es hat mich sehr bewegt, wie die Frauen Jessy begrüßt haben. Jede einzeln und sehr persönlich. Das hat mich schon während des Drehens berührt und noch einmal beim Schnitt", erzählt Antonella Berta.

Im zweiten Kapitel geht Schwester Lioba in Ordenstracht ins Frankfurter Rotlichtviertel und trifft Jessy in der Tabeldance-Bar. Nur sehr spärlich bekleidet empfängt das Mädchen die Ordensfrau. Die sieht den Tänzerinnen bei der Arbeit zu und trifft sich mit ihnen in den Umkleideräumen.

Das dritte Kapitel führt zurück ins Kloster, wo Jessy die Regeln und die alltägliche Arbeit einer Ordensfrau kennen lernt. In Kapitel vier fährt Schwester Lioba nach Chemnitz. Dort wohnt Jessy und verdient Geld, in dem sie sexuelle Dienste via Internet anbietet. Über eine so genannte Web-Cam lässt sie sich von zahlenden Kunden in eindeutigen Posen beobachten. Auch in dieser Situation sind Schwester Lioba und die Kamera dabei.

Es wird deutlich, was geschieht

"Unser Film hat mit Pornofilm aber nichts zu tun, wir dokumentieren lediglich Jessys Job", so Antonella Berta. "Wir zeigen sie so, wie wir einen Bäcker bei der Arbeit gezeigt hätten. Natürlich bleibt die Kamera dezent, aber es wird deutlich, was geschieht." Aus diesem Grund wurde diese Reportage auch erst nach 22.00 Uhr ausgestrahlt.

Das letzte Kapitel schließlich führt zurück ins Kloster. Die Schwestern versuchen, Jessy mit Meditation und Yogaübungen den Weg zur Gotteserfahrung zu zeigen. Eine Begegnung mit Folgen. Denn während der Dreharbeiten haben sich beide Frauen schätzen gelernt. Für Jessy jedenfalls stand nach Abschluss der Dreharbeiten fest, dass ihr erster Besuch im Kloster nicht der letzte sein soll.

Bereits im Januar 2005 zeigte die ARD Antonella Bertas Film "Bankerin trifft Ordensmann". Damals konfrontierte sie Anni Hönicke, die Reichtum als das Ergebnis guter Arbeit betrachtete, mit Gregor Böckermann. Der wiederum vertrat die These, Reichtum sei Raub an den Armen. Eine weitere "Begegnung" hat die Autorin bereits in Arbeit. Dann möchte sie einen Neonazi mit einem Türken zusammen bringen. Formal sind die Filme gleich konzipiert. Am Ende soll daraus eine kleine, vielleicht fünf Begegnungen umfassende Reihe entstehen.

(afp)
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