Bei Gottschalk begeistert ein Kaktus-Schlecker "Wetten, dass..?" gehört auf die Couch

Düsseldorf (RPO). Die "Wetten, dass..?"-Ausgabe aus Hannover verlief über weite Strecken erschreckend öde. Nicht nur Song-Contest-Lena zeigte Thomas Gottschalk die kalte Schulter. Erinnerungen an originellere Tage weckte lediglich die Wette des Abends: Ein Familienvater demonstrierte vor der deutschen TV-Öffentlichkeit eindrucksvoll sein Talent zum Kakteen-Schlecken.

 Smudo und Thomas D. von den Fantastischen Vier

Smudo und Thomas D. von den Fantastischen Vier

Foto: yfrog

Der Abend in Hannover begann eigentlich unter besten Vorzeichen. Ein entspannter Thomas Gottschalk begrüßte an der Seite seiner abenteuerlich knapp gekleideten Assistentin Michelle Hunziker gleich zu Beginn Lokal-Matadorin Lena Meyer-Landrut. Doch ließ die den Moderator sogleich brüsk abblitzen. Der hatte sich erdreistet, nach ihrem neuen Tattoo mit dem Edith Piaf-Zitat "Non, je ne regrette rien" auf dem Fuß zu fragen. "Nee, entspricht nicht der Wahrheit." Das war's. Das Zeit-Magazin hatte wenige Tage zuvor ein Foto von der neuen Tätowierung veröffentlicht.

Es sollte der Auftakt zu einer Sendung sein, die wenig Esprit, aber dafür umso mehr an Langeweile und Peinlichkeiten zu bieten hatte. Meist rettet ja bei "Wetten, dass..?" irgendetwas eine schwache Sendung über die Zeit. Entweder die Gäste, die Wetten, die Show-Stars oder auch Gottschalk selbst. Wenn jedoch so gar keiner der Trümpfe stechen mag wie an diesem 6. November, kann eine komplette Sendung schnell zur Quälerei ausarten.

Langeweile auf der Couch

Die etwas gelangweilten Gäste auf der Couch prägten die Stimmung von Beginn an. Lena Meyer-Landrut und Matthias Schweighöfer stellten ihren neuen Film vor, fühlten sich im Gottschalk-Universum aber ansonsten offensichtlich wie ein Fremdkörper. Rechts von ihnen mühten sich professionell Michelle Hunziker und Komiker Atze Schröder, der Sendung mit ein paar Blödeleien einen gewissen Pfiff zu verleihen.

Auf der anderen Seite der Couch übten sich Boxer Vitali Klitschko und Frau Natalia in ukrainischer Höflichkeit und gaben sogar mit Gitarre und Gesang ein Liedchen zum Besten. Gottschalk blödelte dazu und imitierte mit der Zunge eine Balalaika, Hunziker und Atze schunkelten. Da war sie wieder, die für die große ZDF-Samstag-Abend-Show so typische Fröhlichkeit, bei der sich so mancher Zuschauer windet und für die Kritiker den Begriff "Fremdschämen" neu erfunden haben.

Die Fantas knipsen von hinten

Später kamen noch Smudo und Thomas D. von den Fantastischen Vier in die Runde. Die Langeweile muss groß gewesen sein. Über das Handy knipsten sie in schöner Regelmäßigkeit Bilder aus der Couch-Perspektive und veröffentlichten sie umgehend im Netz. Groß gefeiert wurde US-Schauspieler Denzel Washington, ebenfalls Werbetreibender für einen neuen Film. Der Hollywood-Star hinterließ gelegentlich den Eindruck eines Touristen. Deutsche Fernseh-Kultur erschließt sich halt nicht jedem. Die Ansage für seine Landsfrau Miley Cyrus in deutscher Sprache lieferte er mit ironischem Geheule ab. Als Gottschalk ihn und Klitschko jedoch animieren wollte, sich einmal zum "Schattenboxen" Schauspieler gegen Natur-Sportler zu erheben, ließen sie den Moderator kühl abblitzen.

Dass die Ausgaben aus Hannover so müde daherkam, lag aber auch an den Wett-Angeboten. Im Schnelldurchlauf: Ein 15-jähriger Turner, der mit Händen und Füßen acht Meter weit auf einem Basketball rollte. Ein ferngesteuerte Spielzeug-Buggy, der auf einem Cross-Parcours einen BMX-Meister im Finish das Fürchten lehrte. Ein Mann, der mit seinen Händen eine Sprungrampe so einzustellen versuchte, dass der erst 12-jährige Motorradfahrer eine vorab festgelegte Weite erreichte. Eine Chinesin, die mit der Geschwindigkeit einer Maschine fehlerfrei Geldscheine zählen konnte. Ein Pensionär, der einen voll besetzten Bus auf einer Wippe ins Gleichgewicht bringen konnte. All das hat man so oder so ähnlich irgendwie schonmal gesehen. Die Show krankt immer mehr daran. Mit dem Befund von diesem Abend gehört sie in ärztliche Behandlung.

Der Kaktus-Freund verstört die Couch

Dass es Ausnahmen gibt, zeigten zwei andere Wetten. Vor allem der etwas eigentümliche Familienvater Andreas Malzan stach heraus: Der hatte es mit seiner Leidenschaft für Kakteen bis zur "Wetten, dass..?-Wette gebracht, indem er versuchte, mit der Zunge verschiedene Arten der Pflanzen zu ertasten. Das Publikum schwankte zwischen Lachen und Entsetzen. Für Gottschalk eine Steilvorlage, zumal der Kandidat sich auch noch unbeabsichtigt zweideutig ausdrückte. "Ich bin einfach den Pflanzen nähergekommen, habe Kontakt gesucht, versucht sie anzufassen", erläuterte er seine Idee für die Wette.

Gottschalk suchte mit spürbarer Wonne die zu ertastenden Kakteen aus, und sparte nicht mit Kommentaren. "Der ginge notfalls noch als Deo-Roller", sagt er zum einen Exemplar, "das ist wie Oma schlecht rasiert", zum anderen. Als dann der Kandidat mit Hingabe die Kaktus-Stacheln erschlabberte, wechselte die Kamera immer wieder zur Couch, wo sich Thomas D. Schlapp lachte und Lena den Kopf in den Händen vergrub. Gottschalks Spruch "Ein bisschen verliebt scheint er schon zu sein", ist im Publikum ein großer Lacher. Dass das erste Exemplar dann auch noch ein "Brustwarzenkaktus" war, muss wohl als eine Ironie der Geschichte durchgehen.

Zum Wett-König reichte es für den Kakteen-Kenner am Ende jedoch nicht, obwohl er alle Typen erkannte. Der letzte Kandidat, Nico Haddat, schaffte es fast, 1000 Kerzen in zwei Minuten auszupusten. Mit seinem atemlosen Finish brachte er am Ende des Abends das Publikum auf seine Seite.

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