Aus für "Wetten, dass..?" Eine Show wie ein Leichenschmaus

Es spricht nicht unbedingt für eine Fernsehsendung, wenn der spannendste Moment die Abmoderation ist. Aber sicher wurde für diesen kurzen Moment, als Markus Lanz sich verabschiedete, in Millionen Wohnzimmern ein wenig die Lautstärke hochgestellt, um ja nichts zu verpassen.

"Wetten, dass..?" aus Offenburg
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"Wetten, dass..?" aus Offenburg

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"Wir sehen uns am vierten Oktober wieder - mit den letzten drei Ausgaben von ,Wetten,dass..?'", sagte der Moderator. Und sofort begannen auf den Sofas der Republik und im Internet die Spekulationen. Das heißt was? Die letzten drei Ausgaben fürs Jahr 2014? Oder für immer?

Umgehend nach dem Abspann verbreitete das ZDF dann die Mitteilung, mit der Programmdirektor Norbert Himmler das Ende des TV-Dinos präzisierte. "Wir haben gemeinsam entschieden, dass wir noch die drei geplanten Ausgaben in 2014 machen. Danach ist Schluss."

Markus Lanz und der Niedergang der "Wetten, dass..?"-Quoten
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"Wetten, dass..?": Wie bei Markus Lanz die Quoten purzelten

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Warum das ZDF den Schlussstrich zieht

Als Grund für das Aus führte Himmler die Veränderungen im Showbereich an, die alle Sender und Unterhaltungsprogramme treffe, besonders aber "Wetten, dass..?" als traditionsreiche Show. "Der Rückgang der Zuschauerzahlen zeigt, dass sich die Sehgewohnheiten verändert haben und das Format an Anziehungskraft verloren hat."

Die Entscheidung sei nicht leicht gefallen. Der Aufwand stehe jedoch nicht mehr im Verhältnis zur Zuschauer-Resonanz. Er habe aber großen Respekt vor der Leistung von Markus Lanz. Der hatte schon im Vorfeld der Sendung aus Offenburg kolportieren lassen, er habe keine Lust mehr - für viele kaum verwunderlich, nachdem schon Intendant Thomas Bellut es an Rückendeckung für das Format hatte vermissen lassen.

Nostalgie bis zum Exitus

Deshalb schien am Samstagabend ab 20.15 Uhr alles auf eine Beerdigung erster Klasse hinauszulaufen. Und in manchen Szenen erinnerte die Show tatsächlich an einen Leichenschmaus, bei dem sich alle liebevoll an den Verstorbenen erinnern und die Sätze mit "Weißt du noch…?" beginnen.

Schauspielerin Veronica Ferres zum Beispiel sprach darüber, wie aufgeregt sie bei ihrem ersten Auftritt gewesen war und wie das Offenburger Publikum sie damals im Jahr 1995 getragen habe. Es wurde ein Einspieler gezeigt, in dem sie einst Hape Kerkeling einen Heiratsantrag machte - nee, was waren das für Zeiten! Zu Beginn spendete das Publikum minutenlang Applaus, Lanz wirkte schon fast gerührt ob des Zuspruchs, deutete auf die Uhr und sagte immer wieder verlegen "Danke, danke, danke".

Jeder Gast lobte die Atmosphäre in der Halle, herzte Lanz ausgiebig. Pop-Sängerin Anastacia ließ sich sogar dazu hinreißen, dem Moderator einen Doktor-Titel zu verleihen, weil er solch ein toller Gastgeber sei und ihr Hör-Set für den Dolmetscher wieder richtete.

Trost und Zuspruch

Trost und Zuspruch zogen sich wie ein roter Faden durch die Sendung. Zudem saßen alle Gäste in Schwarz gekleidet auf dem Sofa - passend zum Anlass, und also wollte schon niemand nur mit einem farbigen Outfit Markus Lanz die Show stehlen. "Das hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal derjenige mit dem buntesten Anzug sein würde", witzelte Markus Lanz, der in Taubenblau gekleidet war, auch in Anlehnung an seinen mit ihm oft verglichenen Vorgänger Thomas Gottschalk.

Lanz die Verantwortung als Totengräber zuzuschreiben, wäre allerdings zu einfach. Das hat seine Moderation gezeigt: Er lieferte in einer soliden Show ordentliches Handwerk ab, ging gut auf seine Gesprächspartner ein, und ihm gelang auch der ein oder andere Gag.

Auf seiner Couch nahmen neben Kerkeling noch zwei weitere Sympathie-Träger (Modedesigner Guido Maria Kretschmer und Schauspielerin Annette Frier) Platz, die es ihm leicht machten und sich als angenehme, unterhaltsame Gäste präsentierten.

Für die peinlichsten Momente konnte er nichts

Natürlich unterliefen dem Moderator einige Schnitzer - kaum zu vermeiden bei einer fast dreistündigen Live-Sendung: So verwechselte er einmal Offenburg mit Offenbach. Und auch seine Idee, die Kinder-Wettkandidaten Tom und Nick (beide 10) nach ihrer verlorenen Wette mit einem Kuss von Cameron Diaz zu trösten, war nicht besonders geschickt. Ein Junge war gefrustet und den Tränen ohnehin nah, dass er angesichts dieses Angebots nur hilflos mit den Achseln zuckte. Zum Glück rettete der Hollywood-Star die Situation, als Diaz die Kinder nicht küsste, sondern abklatschte (High-Five).

Im Interview mit Hape Kerkeling wurde jedoch eine Lanz-Schwäche deutlich. Er hat im Gegensatz zu dem Mann, der angeblich die erste Wahl als Gottschalk-Nachfolger war, keine Selbstironie. Für die peinlichsten Momente der Show konnte Lanz hingegen nichts: Ganz schlimm zum Beispiel, als Veronica Ferres mit Hape Kerkeling auf ihren Wunsch einen Hochzeitswalzer tanzte. Zum Glück lehnte er ab, den Schleier zu tragen. Gruselig war es trotzdem.

Wetten nach Schema F

Die Wetten waren nach dem üblichen Rezept zusammengestellt: Mit einem Riesen-Gefährt etwas ganz Kleines bewegen (ein Buddelschiff bauen mit einem Schlepper), aus einer Bierlaune entstanden (mit Pfeil und Bogen auf hüpfende Toastscheiben schießen) und Akrobatik. Drei Turner aus Kiel wurden dann auch Wettkönig, weil ihnen gelang, mit einem Strohhalm aus einem Glas zu trinken, während sie per Salto über einen Tresen sprangen.

Am Ende hüpfte Markus Lanz wie seine Gäste auf einem Speed-Trampolin. Er sprang wie ein Berserker auf der federnden Gummimatte herum - und auf seinen Moderationskarten. Es wirkte wie eine Austreibung, wie ein symbolischer Akt eines Mannes, der anscheinend keine Lust mehr hat, sich einmal im Monat von Spöttern und Kritikern zerreißen zu lassen. Ein weiterer Beleg: Nicht einmal zehn Minuten überzog Lanz die Sendung aus Offenburg - als wollte er es schnell zu Ende bringen. Hätte wirklich ein Anderer/eine Andere die Sendung retten können?

Die Mainzer halten sich alles offen

Noch drei Ausgaben, dann wird "Wetten, dass..?" ein Stück deutscher Fernsehgeschichte sein. Das ZDF lässt sich zumindest die Möglichkeit zur Rückkehr offen. Die Mainzer behalten alle Rechte an der Marke und schließen nicht aus, sie noch einmal zu aktivieren. Das Format, das Frank Elstner Anfang der 80er Jahre entwickelt habe, sei einzigartig geblieben.

"Deshalb schließe ich nicht aus, dass es irgendwann noch einmal auflebt", sagte Programmdirektor Norbert Himmler. Jedoch werde nun kein neuer Moderator gesucht, stattdessen arbeite die Hauptredaktion Show an neuen Ideen für den Samstagabend.

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Markus Lanz im Porträt: Gekämpft, aber doch verloren

(stö)
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