Gelungenes Remake Winnetous alte neue Welt

Düsseldorf · Die Figur des fiktiven Apachenhäuptlings genießt in Deutschland Kultstatus. RTL hat den Filmklassiker neu interpretiert. Mit Erfolg. Am Sonntag startet die Trilogie.

 Reich mir die Hand: Wotan Wilke Möhring, Nik Xhelilaj.

Reich mir die Hand: Wotan Wilke Möhring, Nik Xhelilaj.

Foto: RTL, Jens Koch

Winnetou lebt. In den Herzen vieler Menschen ohnehin, aber nun darf er wieder über den Bildschirm reiten, jung, stolz und schön. Ausgerechnet RTL hat sich an den Stoff gewagt, die Geschichte des edlen Wilden trotz des enormen Peinlichkeitspotenzials als Dreiteiler neu verfilmt und, Manitu sei Dank, fast alles richtig gemacht. Von der Besetzung über die Musik bis zu den Kulissen, alles funktioniert, wirkt stimmig, manchmal sogar groß, selten komplett daneben. Am wichtigsten jedoch ist, dass Regisseur Philipp Stölzl den Geist des - bei näherem Hinsehen reichlich angestaubten - Film-Klassikers nicht nur erhalten, sondern erneuert hat. Niemals war Winnetou moderner als heute.

Die anhaltende Faszination für die Figur des Apachen-Häuptlings speist sich vor allem durch Pierre Brice, der hierzulande das Bild der edlen Rothaut fast archetypisch prägte und verehrt wurde wie ein Heiliger. "Er hatte eine sehr warme, sanfte, Jesus-ähnliche Ausstrahlung", sagt Stölzl. "Man hatte fast das Gefühl, dass er nicht von dieser Welt war." Tatsächlich besitzt schon die Figur Winnetou Züge eines Erlösers - er will Frieden zwischen den Rassen, die Menschen vereinen und opfert sich am Ende für seinen weißen Blutsbruder. So viel Selbstlosigkeit, so viel Menschlichkeit, so viel Glauben an das Gute knüpfte einen Bund fürs Leben zwischen Indianern und Bundesrepublikanern.

Natürlich standen die Winnetou-Filme auch für das Lebensgefühl einer ganzen Generation, die sich in Zeiten des Kalten Krieges nach Romantik, Frieden und Freiheit sehnte, nach heiler Welt und Naturidylle. So waren die in Kroatien gedrehten Western in gewisser Weise Heimatfilme, weil sie ähnliche Werte transportierten und geschickt Gefühle evozierten, etwa durch Martin Böttchers opulente Filmmusik, bei der einem bis heute das Herz aufgeht. Aus aktueller Sicht kommt der Nostalgie-Faktor hinzu, der die Winnetou-Filme zum Inbegriff einer idealen, moralisch sauberen und daher begreifbaren Welt verklärt.

An der Sehnsucht nach einer harmonischen Gesellschaft hat sich aber bis heute nichts geändert, sie ist vielleicht sogar größer als je zuvor. Winnetou bleibt also ein Versprechen auf eine bessere, weil gute Welt. Stölzl arbeitet das heraus, hat den Stoff auf das Thema verdichtet, ihn angepasst ans Zeitgeschehen. Seine Indianer werden zu Flüchtlingen, die der Krieg von ihrem Land treibt; weiße Siedler fühlen sich kulturell überfremdet, skrupellose Kapitalisten opfern die Menschlichkeit ihrer Gier - und die Hoffnung liegt im Miteinander der Rassen, der Kulturen, in der Freundschaft über alle vermeintlichen Barrieren hinweg. In einer Szene bauen Indianer und Weiße gemeinsam eine Scheune, am Ende sitzen sie am Tisch und brechen das Brot miteinander.

Das klingt so penetrant wie naiv, und das ist es oft auch, aber dann ist auch immer wieder die ehrliche Hoffnung zu spüren, dass es doch funktionieren könnte mit dem Miteinander, wenn man es denn nur versuchen würde. Stölzls Vision trägt dabei einerseits märchenhafte Züge, was gut ist, weil es relativiert, andererseits bedient er heutige Sehgewohnheiten. So wirken Szenen des neuen Winnetou-Films teils stark von Kevin Costners "Der mit dem Wolf tanzt" inspiriert. Die Apachen sprechen Lakota, eigentlich ein Sioux-Dialekt (die Sprache der Apachen ist so gut wie ausgestorben), und Winnetou erinnert an "Wind in seinem Haar", nur sieht Nik Xhelilaj besser aus. Auch der Bahnarbeiter-Ort Roswell ist schäbig, schlammig; Stölzl hat Wert gelegt auf eine authentische Atmosphäre, wollte keine bonbonbunte Bonanza-Kulisse. Sein Old Shatterhand, gespielt von Wotan Wilke Möhring, kommt zu Beginn ausgezehrt von der langen Reise in Amerika an, im Gepäck deutsche Gründlichkeit und eine gehörige Portion Spießertum.

Stölzl erlaubt sich dabei den Kunstgriff, Möhring als Karl May auftreten zu lassen, der später von den Indianern Old Shatterhand genannt wird, und befeuert so die Legendenbildung. Setzte der deutsche Schriftsteller und Hochstapler May im Alter doch selbst alles daran, die eigene Person mit dem Alter Ego seiner Bücher unentwirrbar zu vermengen. Fakt ist: May war nie in Amerika. Stölzl hat sich einfach das berühmte Gebot aus "Der Mann, der Liberty Valance erschoss" zu Herzen genommen: "Wenn die Legende zur Wahrheit geworden ist, druckt die Legende."

So ist seine Winnetou-Trilogie auch nur als eine Art Echo der alten Filme zu verstehen, als eine Stoffsammlung, neu arrangiert und bewertet. Den Figuren wird Zeit gelassen, sich zu entwickeln, auch die Freundschaft zwischen Indianerhäuptling und Ingenieur wächst nur langsam. Das Ensemble macht seine Sache generell gut. Xhelilaj als Winnetou ist vielleicht eine Spur zu Brice-mäßig, Möhring als Shatterhand manchmal zu modern und darf auch Sex mit Nscho-Tschi (charismatisch: Iazua Larios) haben. Mario Adorf greift seine Rolle als sinistrer Santer aus "Winnetou I" auf, Milan Peschel verleiht der Figur des verschrobenen wie leicht vertrottelten Sam Hawkens Würde. Unter den Bösewichten Jürgen Vogel, Fahri Yardim und Michael Maertens besitzt vor allem letzterer diabolische Kraft.

Natürlich gibt es peinliche Momente (Schöner Wohnen in der Blockhütte), dämliche Sprüche ("Friss Blei!") und scheußliche Masken (der Backenbart von Jürgen Vogel). Auch fällt der zweite Teil, "Das Geheimnis vom Silbersee", deutlich gegen die beiden anderen ab (wobei der dritte etwas länglich geraten ist). Aber das alles ist zu verschmerzen. Stölzl gelingt es, das Gefühl, das Herzerwärmende der alten Filme zu erhalten. Vielleicht, weil er ebenfalls in Kroatien gedreht hat und die Landschaften teils spektakulär in Szene setzt, oder weil Filmkomponist Heiko Maile die originale Musik so kongenial weiterentwickelte, dass selbst der 90-jährige Böttcher zufrieden war.

Vor allem wohl aber, weil Stölzl seinem Winnetou eine brandaktuelle Botschaft mitgegeben hat. Es geht um Versöhnung, um Frieden, um eine Gemeinschaft der Völker. Das ist plakativ, ja, simplifizierend, auch das. Aber dennoch wichtig. Stölzls Verdienst ist es, dass wir sagen können: Wir brauchen Winnetou. Heute dringender denn je.

Winnetou-Trilogie: "Eine neue Welt", So., 25.12., "Das Geheimnis vom Silbersee", Di., 27. 12., "Der letzte Kampf", Do., 29. 12., RTL, jeweils ab 20.15 Uhr

(RP)
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