TV-Sendung mit Stephanie zu Guttenberg Wirbel um "Tatort Internet"

Würzburg (RP). Die RTL-II-Sendereihe über Missbrauch im Netz hat Folgen: Ein Kinderdorf-Leiter ist verschwunden. Experten fordern eine engere Kooperation mit der Polizei. Co-Moderatorin Stephanie zu Guttenberg ist entsetzt über die Debatte.

Zu Guttenberg in "Tatort Internet - schützt unsere Kinder!"
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Nach der Kritik an der Sendung "Tatort Internet — Schützt endlich unsere Kinder" geht der TV-Sender in die Offensive. RTL II erlebe einen unglaublichen Zuspruch von Betroffenen, so ein Sprecher. Mit einer Aufklärungs-DVD wolle man nun Eltern und Kinder, aber auch Pädagogen und Polizisten über das Thema Kindesmissbrauch im Internet informieren. Das TV-Format, das von Stephanie zu Guttenberg mit kurzen Auftritten unterstützt wird, nimmt für sich in Anspruch, Sextätern auf die Spur zu kommen. Eine Journalistin gibt sich im Netz als Minderjährige aus und will so Pädophile überführen. In der ersten Sendung war ein Kinderdorf-Leiter der Würzburger Caritas auf das Angebot eingegangen. Der 61-Jährige wurde am Freitag entlassen und ist seitdem spurlos verschwunden.

Medienexperten und Polizisten stehen dem neuen Format gespalten gegenüber. "Der Grundgedanke der Sendung ist richtig, weil man eine breite Öffentlichkeit für das Thema erreicht", sagt Wilfried Albishausen, NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Doch dürfe man keine zweite informelle Gerichtsbarkeit schaffen. Albishausen sieht deutlichen Verbesserungsbedarf. "Das Format braucht zwingend die enge Zusammenarbeit der TV-Produzenten mit Polizei und Staatsanwaltschaft", fordert er.

Unverständlich sei ihm, dass zwischen der Aufzeichnung des Treffens und der Ausstrahlung der Sendung fünf Monate vergingen und RTL II die Justiz nicht informierte. "In einem solchen Deliktbereich ist es zumindest moralisch verpflichtend, dem schnell ein Ende zu machen und unverzüglich Anzeige zu erstatten", sagt Albishausen. Es sei nicht auszudenken, was ein Täter in diesem Zeitraum anstellen könne.

Udo Nagel, ehemaliger Hamburger Innensenator und Moderator von "Tatort Internet", begründet den zeitlichen Abstand damit, dass das sogenannte "Cyber-Grooming", also die sexuelle Kontaktanbahnung mit Minderjährigen im Internet, nicht strafbar sei. "Dabei handelt es sich um eine so genannte ,straflose Vorbereitungshandlung'. Hätten wir das weitergeleitet, hätten wir uns unter Umständen selbst strafbar gemacht", erklärt Nagel. Im Fall eines Potsdamers Lehrers sei dagegen direkt nach der Aufzeichnung eine Anzeige seitens des Senders erfolgt. Nagel: "Passiert ist allerdings nichts."

Bei RTL II legt man Wert auf die Feststellung, dass man ernsthaft mit dem Thema Kindesmissbrauch umgehe. Ziel sei eine europaweite Gesetzesregelung in Sachen Cyber-Grooming. Bei den nächsten Sendungen werde man daher, verspricht Nagel, jeweils am Donnerstag vor der Ausstrahlung alle relevanten Daten an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben.

Stephanie zu Guttenberg sagte gegenüber "Bild", dass sie entsetzt darüber sei, wie die Debatte geführt werde. Die Sendung solle zeigen, "wie leicht unsere Kinder im Internet zu Opfern von Sextätern werden können" und wie allgegenwärtig diese "widerliche Anmache von Online-Tätern ist".

Die zuständige Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien prüft derweil, ob die Persönlichkeitsrechte von Opfern und mutmaßlichen Tätern verletzt wurden. In der ersten Sendung war der Kinderdorf-Leiter bei dem von RTL II arrangierten Treffen mit einer vermeintlich 13-Jährigen zwar gepixelt und seine Stimme verzerrt worden; dennoch wurde er in Internetforen noch während der Ausstrahlung enttarnt. Bei RTL II will man aber ausdrücklich "nicht in die Täter-Diskussion einsteigen". "Es war und ist nicht unsere Absicht", so ein Sprecher, "Täter kenntlich zu machen."

Bei der Würzburger Caritas sorgt man sich um den Kinderdorf-Leiter, dessen plötzliches Verschwinden ein untypisches Verhalten für ihn sei. Die Würzburger Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch. Auf die Justizbehörden könnte noch mehr Arbeit zukommen. Insgesamt will RTL II bis zum 29. November zehn Folgen ausstrahlen.

(RP)
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