Harald Krassnitzer "Wuppertal ist die spannendste Stadt in NRW"

Der 56-jährige Wiener "Tatort"-Kommissar über die Auftakt-Folge "Virus", seine Arbeit mit Flüchtlingen und seine Heimat Wuppertal.

Harald Krassnitzer: "Wuppertal ist die spannendste Stadt in NRW"
Foto: red

Düsseldorf Der "Tatort" ist zurück aus der Sommerpause. Nach zehn Wochen ohne aktuelle Fälle aus Deutschland, Österreich und der Schweiz startet die neue Saison am Sonntag (20.15 Uhr, ARD) mit der Folge "Virus" aus Wien. Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) müssen darin den Tod eines Afrikaners aufklären und geraten in große Gefahr.

"Virus" beginnt mit einer Szene in einer Ebola-Krankenstation in Guinea. Sie sind selbst in Hilfsorganisationen aktiv. Was machen Sie?

Harald Krassnitzer Ich versuche, Geld aufzutreiben. Früher bin ich an die Orte gereist. Aber dann habe ich gemerkt, ich kann da nichts machen, außer im Weg zu stehen. Denn ich habe keine medizinische oder technische Ausbildung, die den Menschen dort weiterhelfen würde, und insofern bin ich überflüssig.

Hilfsorganisationen sind umstritten: Lieber soll Hilfe zur Selbsthilfe gewährleistet werden, anstatt Geld dorthin zu karren. Wie wichtig sind solche Organisationen für Afrika?

Krassnitzer Es gibt viele Nichtregierungsorganisationen, die eine unglaubliche Bedeutung für Afrika haben, da sie genau diese Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Die Organisation "Amref" etwa unterstützt Frauen, deren Männer an Aids gestorben sind und die mitunter selbst infiziert sind. Dadurch erfahren sie oft Stigmatisierung. Den Frauen wird eine Struktur gegeben, damit sie sich selbst über Wasser halten können. "Amref" bietet ihnen Zugang zu selbst geschaffenen Jobs. Viele Frauen haben mittlerweile kleine Unternehmen wie Restaurants, Schneidereien oder Obstläden. Zudem sind sie krankenversichert. Und ihre Kinder gehen in die Schule. Diese Hilfe der NGOs ist sehr wichtig, sie erinnert Menschen daran, was sie für Möglichkeiten haben. Oft sind Hilfsorganisationen auch bei einem unmittelbaren Krisenfall aktiv, um Not zu lindern. Das ist nicht nachhaltig, aber dringend nötig.

Sie haben sich im Rahmen der Dreharbeiten mit Krisen, Ebola im speziellen, beschäftigt. Wäre eine solche Epidemie auch in Europa denkbar?

Krassnitzer Ohne Angst machen zu wollen: Es wäre durchaus möglich. Aber als die Ebola-Pandemie drohte, haben wir ja gesehen, wie gut es in Europa läuft. Denn auch hier gab es infizierte Menschen. Doch man hat sie schnell isolieren können und gemerkt, dass Europa über eine sehr gute Struktur verfügt, um die kranken Menschen abzuschotten.

Einige Komparsen sind Flüchtlinge. Haben Sie ihre Geschichten erfahren?

Krassnitzer Natürlich habe ich mir ihre Geschichten angehört, aber Erfahrungen von Flüchtlingen kenne ich auch aus anderen Gebieten, in denen ich tätig bin.

Zum Beispiel?

Krassnitzer Mit einem Freund biete ich biografisches Schreiben an. Da geht es viel um Migration und um die Geschichten, die Menschen zu erzählen haben. Es ist wichtig, Flüchtlinge als Menschen wahrzunehmen und nicht als eine Zahl oder als Bedrohung. Sie alle hatten einen Grund, ihre Heimat zu verlassen. In der Regel stecken große Nöte dahinter: Kriege, Hungersnot, ökonomische Perspektivlosigkeit. Aber sie alle haben den Wunsch, auf einen grünen Zweig zu kommen. Ein würdigeres Leben zu führen. Es ist zutiefst menschlich, nachvollziehbar und schließlich nicht so, als ob die europäische Geschichte nicht auch von Flucht geprägt wäre.

Zurück zum "Tatort". Die Beziehung mit Kollegin Bibi Fellner war erst schwierig. Wie kam es, dass die beiden nun ein Dream-Team sind?

Krassnitzer Ich glaube, das ist eine Wechselwirkung, weil sie beide schwierige Menschen sind, und so eine gewisse Spannung entstanden ist. Dahinter gibt es aber große Liebe, Zuneigung, Freundschaft, und die hält sie zusammen.

Beide müssen sich auch gegen Kritik ihres Chefs wehren, in schlechter körperlicher Verfassung zu sein. Wie halten Sie sich fit?

Krassnitzer Während der Dreharbeiten gibt es nicht immer die passenden räumlichen und zeitlichen Gegebenheiten. Wenn ich etwas Luft habe, mache ich aber sehr gerne Sport und fühle mich auch gut danach. Ich wandere, fahre Rad, starte zu einem kleinen Lauf oder gehe ins Fitnessstudio.

Der "Tatort" ist im Wandel. Einige Kollegen hören auf, andere Teams kommen neu hinzu. Wie sieht Ihre Krimi-Zukunft aus?

Krassnitzer Bei uns gibt es immer einen Blick nach vorn. Wir versuchen, Geschichten zu erzählen, die zwischen Spannung und Vergnügen hin und her wechseln. Und solange das gegeben ist, macht uns das großen Spaß. Da gibt es bisher keine Indizien, dass sich das ändern würde.

Sie waren Bergdoktor, Winzerkönig, aktuell "Tatort"-Kommissar - welche Rolle liegt Ihnen am meisten?

Krassnitzer Das kann man nicht vergleichen. Denn das, was man gerade macht, ist das Wichtigste und Schönste. Sich an alte Rollen zu erinnern, ist ein rückwärtsgewandter Blick. Ich schaue lieber in die Zukunft und sage mir: Dieser Teil meiner Biografie ist gut, es war eine schöne Zeit, aber ich messe dem keine große Wichtigkeit mehr zu.

Sie wohnen in Wuppertal. Was schätzen Sie an der Stadt?

Krassnitzer Wuppertal ist die spannendste Stadt in NRW. Sie hatte lange den Nimbus, eine der ärmsten Städte Deutschlands zu sein. Aber Wuppertal hat sich gemausert, es gibt Ecken, die wie Rohdiamanten daliegen. Es gibt Rückzugsgebiete, wo man sich sehr wohl fühlen kann. Es ist keine laute Stadt oder eine, die angeben muss und Großereignisse feiert. Ich schätze, dass man ein heterogeneres, gemischtes Publikum findet, das gibt mir Erdung.

SASKIA NOTHOFER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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