München Flüchtlinge überfordern Bayern

München · Die Bundespolizei kämpft derzeit an den Grenzen gegen Schleuserbanden. Besonders dramatisch ist die Situation in Bayern. Nach einer Verfolgungsjagd mit einem Schleuser entdeckte die Polizei ein Mädchen in einem Kofferraum.

Über die deutsch-österreichische Grenze werden derzeit fast täglich Hunderte Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern durch kriminelle Banden illegal ins Land geschleust. Die zuständige Bundespolizeiinspektion Rosenheim in Bayern hat allein in der ersten Augusthälfte mehr als 400 solcher Personen festgesetzt. "Der Zustrom aus Syrien, Eritrea, Somalia und Afghanistan reißt nicht ab", sagt ein Sprecher der Bundespolizei. Seit Juni erwischten die Grenzkontrolleure in Bayern mehr als 1700 Personen aus diesen Staaten. Die Dunkelziffer läge noch deutlich darüber. "Großschleusungen sind derzeit an der Tagesordnung." Die illegal Eingereisten übergibt die Polizei an die Aufnahmestelle für Flüchtlinge.

Seit 2013 verzeichnet Deutschland EU-weit die meisten illegalen Einreisen. Im vergangenen Jahr griff die Bundespolizei 32 533 unerlaubt Einreisende auf - ein Anstieg von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (25 670). Aktuell reisen die meisten von Italien über Österreich nach Deutschland. Sie kommen zuvor in überfüllten Flüchtlingsbooten über den Seeweg aus Afrika. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen allein von Januar bis Mai 2014 mehr als 40 000 Menschen auf diesem Weg nach Europa. Auch in NRW schnellt die Zahl der Flüchtlinge rasant nach oben. So griff die Polizei etwa im Raum Aachen im vergangenen Jahr 2000 illegale Personen auf.

In der Regel werden sie von Schleusern in Transportern über die Autobahn und auf dem Zugweg über die Grenzen gebracht. Dabei gehen die Banden skrupellos vor. Immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen, bei denen auch Unbeteiligte in Gefahr geraten. Auf den Autobahnen in Bayern liefern sich die Kriminellen regelmäßig Verfolgungsjagden mit der Polizei. Erst vorgestern konnten die Fahnder einen Schleuser stoppen, der vier Männer im Alter von 27 bis 60 Jahren und ein zehnjähriges Mädchen in einem Auto illegal ins Land gebracht hat. Das Kind musste die Fahrt, die in Mailand begann, bis zum Stopp auf der Inntalautobahn bei Oberaudorf eingeklemmt zwischen Gepäckstücken im Kofferraum verbringen. Die Flüchtlinge stammen aus Syrien. Nur wenige Stunden davor wurde auf der A 8 ein Schleuser mit Wohnsitz in Schweden von den Beamten nach einer Verfolgungsfahrt gestellt. Mit ihm im Wagen befanden sich fünf illegal eingereiste Palästinenser. Mehr als 70 Flüchtlinge ließ die Polizei zu Wochenbeginn in Rosenheim in einer Turnhalle unterbringen. Sie waren von einer organisierten Großschleusung bei einer Zugfahrt von Verona nach München von der Bundespolizei gestellt worden. "Diese Dimensionen sind gewaltig", sagt der Sprecher der Bundespolizei.

Die Schleuser verlangen für die Mitreise pro Person mehrere Hundert Euro. "Für die Fahrt in einem Auto von Italien in die Niederlande hat ein Hintermann, der die Fahrt organisiert hat, 1200 Euro verlangt", erklärt ein Polizeisprecher.

Die festgenommenen Fahrer sind meistens nur das letzte Glied in der Kette einer Schleuserorganisation. Die Hintermänner sitzen meist irgendwo im Ausland. "An sie kommen wir nur schwer heran", betont ein Ermittler.

Für einen Teil der Flüchtlinge ist die Bundesrepublik jedoch nur eine Zwischenstation. Sie wollen entweder nach Skandinavien oder in die Niederlande. Mit der Zahl der illegalen Migranten steigt auch die Zahl der gefassten Schleuser. Dem Jahresbericht der Bundespolizei zufolge wurden 2013 rund 1550 von ihnen festgenommen (ein Plus von 70,6 Prozent). Im Jahr davor waren es 900. Für 2014 gehen die Ermittler sogar von einem noch deutlicheren Anstieg aus.

(RP)
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