Flugsimulator im Eigenheim Abflug: Heizungskeller, Landung: Hamburg

Mönchengladbach · Tobias Esser hat ein Hobby, das polarisiert: Die meisten haben wenig Verständnis für das, was er macht. In der Szene ist er aber berühmt. Der Gladbacher hat seinen eigenen Flugsimulator gebaut.

 Im Keller von Tobias Esser steht der Flugsimulator. Das Cockpit sieht täuschend echt aus.

Im Keller von Tobias Esser steht der Flugsimulator. Das Cockpit sieht täuschend echt aus.

Foto: Ilgner

Tobias Esser ist Vielflieger. Derzeit zählt er 4000 Flugstunden. Seine Stammstrecke: Düsseldorf - Hamburg. Danach streift er die Pilotenjacke ab, steigt die Treppe hoch und freut sich aufs Mittagessen. Der Rückflug fällt heute aus.

"Ich will, dass die Leute mehr über dieses Hobby wissen", sagt der 24-jährige Gladbacher. Dass ihn viele für etwas überdreht halten, das weiß er wohl. Was er nicht weiß: wie sein Leben ohne seinen Flugsimulator im Keller aussehen würde. "Ich werde das auf jeden Fall mein ganzes Leben lang machen", sagt er. Und wer sich einmal mit ihm in die Welt der Flugsimulation begeben hat, der glaubt ihm das auch. Denn Flugsimulation ist mehr als nur ein Computerspiel. Simulation ist eine Tätigkeit, eine Beschäftigung, ein Lebensinhalt, so viel wird klar. Dabei fing alles ganz harmlos an.

Eine Beschäftigung für den Rest des Lebens

In der Szene ist Tobias Esser bekannt: Seit zehn Jahren baut der Mönchengladbacher an seinem eigenen Flugsimulator und hat bereits mehrere Zehntausende Euro in sein Werk gesteckt. Dabei startete Esser wie viele seiner "Gamer"-Kollegen mit ein "bisschen Fifa zocken". Bis er als Jugendlicher auf eines der ältesten Programme der virtuellen Bespaßung stieß: den "Flight Simulator" von Microsoft - ein Computerspiel, das die zivile Luftfahrt simuliert. Die meisten Nutzer spielen am PC; mit Maus, Tastatur und Joystick. Aber nur am Bildschirm zu sitzen und mit dem Joystick das Flugzeug zu steuern, war Tobias Esser irgendwann zu langweilig. Er begann nach ausrangierten Computerteilen und Bildschirmen zu stöbern, in Fachzeitschriften über Flugzeugbau zu lesen und sich zu informieren, wie man als Privatperson am besten an ausrangierte Flugzeugtechnik kommt. Vor allem begann er zu investieren. Zeit und Geld. Wie hoch die Summe genau ist, das will er sich lieber nicht ausrechnen. Aber wohl mehr als 20.000 Euro.

Boeing 737 im Keller

"Viele Piloten haben einen eigenen Flugsimulator im Keller", weiß Esser. Die kann man nämlich auch fertig kaufen. Der Unterschied: Sein Simulator ist handgemacht. Und Tobias Esser ist kein Pilot. Der 24-Jährige hat überhaupt nichts mit Luftfahrt zu tun. Er ist eigentlich Heilerziehungspfleger und beschäftigt sich beruflich weder mit Simulationen noch mit Software oder Flugzeugtechnik. Auf wenigen Quadratmetern im Heizungskeller verbringt Tobias Esser nun täglich viele Stunden seiner Freizeit. Hier steht sein Werk, um das ihn viele Technikfans beneiden. Modell: Boeing 737. Oft habe er Besuch von Piloten, Flugzeugmechanikern und Simulationsfans, die ihm bescheinigen, sein Fliegerglück im Heizungskeller des Elternhauses kommt einem Originalcockpit einer Boeing 737 sehr nahe. Und darauf ist Tobias stolz, die Maße seien eins zu eins. Der Schubhebel hat 3000 Euro gekostet.

Man muss es ihm glauben: Simulation ist kein Spiel. Simulation ist eine Aufgabe. Niemals würde der Gladbacher einen Flug plötzlich abbrechen, ohne das Flugzeug sicher gelandet zu haben. "Ich mache die Maschine so nicht aus", sagt er, "da kann kommen, was will." Seine Freundin fliegt auch manchmal mit. Sie nimmt dann auf einem der drei Passagiersitze hinter dem Cockpit Platz und liest ein Buch.

Seine Mutter verbindet mit dem Simulator vor allem eines: Lärm. Besonders wenn etwas schiefgeht, kann das Stimmengewirr aus dem Sprechfunk nämlich ziemlich laut werden. "Das hört man durch das ganze Haus", sagt der virtuelle Hobbypilot, der nachts manchmal aufschreckt, weil ihm einfällt: Ich muss die Kabel anders legen, damit die Maschine weniger fehleranfällig ist. Insgesamt sieben Computer, 2500 Kabel und zehn Bildschirme hat der Gladbacher in seinem Simulator verarbeitet. Dabei zählt jedes Detail. Sogar ein Teil der Innenverkleidung mit Fensterklappen stammt aus einem echten Flugzeug. Diese Innenwand hat Tobias Esser in den USA ersteigert. Und die Coke kommt selbstverständlich auch aus einem Servierwagen, wie ihn Flugbegleiter benutzen.

"Düsseldorf ground Europe 571 request for destination Hamburg", funkt Esser in sein Headset. Die Arbeitssprache ist auch in der Simulation Englisch. Vor allem Start und Landung reizen ihn, sagt er. Kurz vor Abflug vom Düsseldorfer Flughafen baut er die Verbindung zu seinen Mitspielern auf, die zeitgleich am Rechner sitzen und eine der Microsoft "Flight Simulator" Episoden spielen. Die Sinnestäuschung scheint perfekt. Esser muss sich nun konzentrieren. "Wenn du schlecht fliegst, dann schreien die Passagiere auch", erzählt der 24-Jährige. Nun muss der Hobbypilot auf die Rückmeldung seiner Mitspieler warten.

Der 24-Jährige fliegt mit einer Fehlerhäufigkeit von fünf Prozent, das sei realistisch. Einmal seien ihm während eines Fluges beide Triebwerke ausgefallen. Die Maschine habe er trotzdem sicher im Gleitflug landen können. Nach dem Start übernimmt auch im Simulator der Auto-Pilot; dann geht Tobias Esser eine Cola trinken, oder surft ein wenig im Internet. Ob er auch eine echte Maschine fliegen könnte? Er zuckt mit den Schultern. Zumindest sei er mit 24 Jahren ein sehr erfahrener Pilot. Und einen Pilotenschein macht er inzwischen auch. Aber einen echten.

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