Umfassendes Sinneserlebnis ohne Risiko Frauen sind die besseren Genießer

Nürnberg (dpa). Frauen genießen nach einer repräsentativen Studie anspruchsvoller und differenzierter als Männer. "Für Frauen ist das Genusserleben ein umfassendes Sinneserlebnis, das sie viel gefühlvoller als Männer erleben", sagte der Psychologe und Leiter des Instituts für Genussforschung in Nürnberg, Prof. Reinhold Bergler, in einem dpa-Gespräch. Dabei lehnten Frauen risikoreiche Genüsse ab. Männer dagegen bevorzugten riskante Verhaltensweisen. Sie seien dem hemmungslosen Genießen zugeneigt und zeigten nur eine geringe Gesundheitsorientierung.

"Frauen und Männer passen vom Genuss her nicht zusammen, das birgt erhebliches Konfliktpotenzial für Partnerschaften", bilanzierte der Psychologe. So wollten Frauen verstärkt Zärtlichkeiten genießen, während ihre Partner häufig einseitig sexorientiert seien. "Männer haben beim Genießen einen enormen Nachholbedarf. Genuss mit Leib und Seele muss das Lernziel für viele noch unterentwickelte Männer sein", sagte Bergler.

Ursache für das unterschiedliche Genussverhalten ist nach Ansicht des Psychologen die unterschiedliche Erziehung von Mädchen und Jungen. "Frauen werden stärker für soziale Reize erzogen, ihnen wird von der Mutter zum Beispiel Freude an einem schön gedeckten Tisch mitgegeben", sagte der Psychologe. Daher könnten bereits Mädchen Alltagsfreuden wie einen gedeckten Tisch mit Blumen, Kerzen und schönem Porzellan genießen. Jungen werde diese Erfahrung nicht im selben Maße mitgegeben.

Für beide Geschlechter bedeutet Genuss nach Ansicht des Forschers die angenehme Seite des Lebens, die einen Ausgleich für Stress bedeutet. 88 Prozent der Befragten war am wichtigsten, dass Genuss den Alltagstrott unterbreche.

Dennoch seien viele Deutsche genussabgeneigt. Bei der bundesweiten Befragung von 300 ausgewählten Personen habe sich nur gut die Hälfte der Befragten (54 Prozent) als wirkliche Genießer bezeichnet. Bei mindestens einem Viertel der Befragten sei das Genussbedürfnis unterentwickelt oder durch die Erziehung und eine genussfeindliche Umgebung verdrängt worden. Dabei seien Genießer beliebter als Puristen. "Der typische Genießer ist ein hochattraktiver, sympathischer Mensch, mit dem wir etwas zu tun haben wollen", sagte der empirische Sozialforscher in dem dpa-Gespräch. Genießer seien lebensfroh, positiv eingestellt und aktiv.

Der Genuss selbst sei dagegen in der Gesellschaft negativ belastet. "Genießen ist in Deutschland immer noch ein sündhaftes und unterschwellig negatives Thema", kritisierte der Psychologe. "Ärzte reden mit Patienten immer nur über Verbote, aber nicht über Genießen. Ein Gesundheitswesen, das neben Verboten keinen genussvollen Ersatz bietet, ist aber zum Scheitern verurteilt", glaubt Bergler.

(RPO Archiv)
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