Bayreuth Freispruch für Ulvi K. im Fall Peggy
Bayreuth · Nach dem neuen Urteil im Peggy-Prozess hat das Landgericht Bayreuth ein psychiatrisches Gutachten angeordnet. Damit soll geklärt werden, ob der geistig behinderte Ulvi K. aus der psychiatrischen Klinik entlassen wird.
Das Landgericht Bayreuth hat die frühere Verurteilung des geistig behinderten Ulvi K. wegen Mordes an der seit 13 Jahren verschwundenen Peggy aufgehoben. "Er ist aus tatsächlichen Gründen freizusprechen; ein Tatnachweis ist nicht möglich", sagte der Vorsitzende Richter Michael Eckstein. "Natürlich wäre es sehr schön gewesen, wenn wir neue Erkenntnisse erhalten hätten." Der Verteidiger des 36-Jährigen sieht in dem Peggy-Urteil dennoch einen Freispruch erster Klasse. "Man kann es so sagen", erklärte der Anwalt Michael Euler gestern im Gericht. "Es gibt nichts; es gibt keinen einzigen Beweis, dass Ulvi K. Peggy getötet hat." Der Gerichtssprecher Thomas Goger betonte dagegen, die Kammer habe weder die Schuld noch die Unschuld des Angeklagten eindeutig feststellen können. Euler will nun dafür kämpfen, dass Ulvi K. aus der psychiatrischen Klinik entlassen wird, in der er wegen exhibitionistischer Handlungen untergebracht ist. Auch der Vater des Angeklagten sagte: "Wir sind überglücklich und hoffen, dass Ulvi bald aus dem Bezirkskrankenhaus freikommt."
Wie der Landgerichtssprecher Goger mitteilte, soll ein Gutachter folgende Fragen beantworten: "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Untergebrachte erneut Straftaten begehen wird? Welcher Art werden diese Straftaten sein? Welche Häufigkeit und welchen Schweregrad werden sie haben?" Mit dem Freispruch könnten sich "wesentliche Gesichtspunkte für die Gefährlichkeitsprognose geändert haben", erklärte Goger.
Das Gericht folgte mit dem Freispruch den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Zahlreiche Zuschauer im Gerichtssaal reagierten mit Applaus. Anwalt Euler kritisierte, der Richter sei in der Urteilsbegründung zu wenig auf die Aussagen von Zeugen eingegangen, die Peggy am 7. Mai 2001 auch noch nach der mutmaßlichen Tatzeit im oberfränkischen Lichtenberg gesehen haben wollen. Nun stellt sich erneut die Frage, was mit dem Mädchen passiert ist. Bereits seit Sommer 2012 wird in dem Fall neu ermittelt. Eine Spur brachte die Polizei auf einen Mann aus Halle in Sachsen-Anhalt. Der ehemalige Bekannte von Peggys Familie sitzt derzeit wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter in Haft. Er habe eingeräumt, sich auch an seiner Nichte mehrmals vergangen zu haben, gab ein Polizeibeamter an. Auffällig daran ist, dass die Nichte im selben Haus wie Peggy wohnte und der Missbrauch wenige Wochen vor Peggys Verschwinden stattfand. In der Haftzelle des Mannes fanden Polizisten ein Foto von Peggy. Zum Kreis der Tatverdächtigen zählen außerdem der Halbbruder des Mannes und ein Lichtenberger, der wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt wurde.
Peggy wird seit dem 7. Mai 2001 vermisst. Zwei Jahre später wurde Ulvi K. zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Landgericht Hof sah es damals als erwiesen an, dass der Gastwirtssohn die neun Jahre alte Schülerin im oberfränkischen Lichtenberg tötete, um einen sexuellen Missbrauch zu vertuschen. Eine Leiche wurde allerdings nie gefunden. Im Dezember 2013 ordnete das Landgericht Bayreuth die Wiederaufnahme des Verfahrens an. Denn ein Belastungszeuge hatte eingeräumt, falsch ausgesagt zu haben. Beim damaligen Prozess war außerdem nicht bekannt, dass die vermutete Tatversion der Ermittler dem Geständnis von Ulvi K. ähnlich war. Der Verdacht lag nahe, dass der Angeklagte nur eine ihm vorgegebene Version wiedergegeben hat.
Der Angeklagte habe möglicherweise Parallel-Erlebnisse in seine Geständnisse eingebaut, sagte Eckstein. Bei seiner psychiatrischen Untersuchung sei seine hohe Fantasiebegabung aufgefallen. Eckstein: "Er war imstande, detailreiche Geschichten zu vorgelegten Bildern zu entwickeln. Und dies an Folgetagen zu wiederholen."