Martin Rütter "Früher habe ich Hunde ohnmächtig gekrault"

Der 45-Jährige ist Deutschlands bekanntester Hundetrainer. Mit seinem Comedy-Programm füllt der Duisburger derzeit große Hallen.

Warum sind Sie Hunde- und nicht Katzenprofi geworden?

Martin Rütter Der Hund akzeptiert den Menschen als vollwertigen Sozialpartner, er sucht aktiv dessen emotionale Nähe und zieht ihn manchmal sogar Artgenossen vor. Sie sehen ihren Menschen zwar nicht als Hund an, aber er ist ihnen genauso wichtig wie ein Rudelmitglied. Das kann kein anderes Tier. Und zudem gibt es große Mentalitätsunterschiede zwischen Hund und Katze. Das merkt man schon an deren Reaktion, wenn man sie mal alleine gelassen hat: Der Hund rastet vor Freude aus, wenn du nur 30 Sekunden im Keller warst. Deine Katze triffst du nach einer Woche wieder, da kommt nur ein strenges "Wo hast du dich rumgetrieben?" (lacht).

Wie kamen Sie auf den Hund?

Rütter Ich hatte schon als Kind einen engen Draht zu Hunden. Ich selbst durfte zwar keinen haben, weil meine Eltern auch heute noch jedes Tier als sinnlos betrachten, das man nicht essen kann. Ich habe aber die Hunde der Nachbarn ausgeführt und die Hunde von meiner Tante Thea ohnmächtig gekrault. Sie besaß in den 80er Jahren eine Art Pflegestelle für gestrauchelte Tiere - und die außergewöhnliche Gabe, Hunde, die anfangs wunderbar waren, binnen weniger Wochen dermaßen verrückt zu machen, dass man das Haus nicht mehr gefahrlos betreten konnte. Mich hat damals brennend interessiert, warum so viele Leute Probleme mit ihren Hunden hatten.

Was war Ihr bislang schwerster Fall?

Rütter Ganz absurd war es mal, als ein Mann drei Jahre lang auf der Couch geschlafen hat, weil der Hund ihn nicht mehr zu Frauchen ins Schlafzimmer gelassen hat (lacht). Die Schwierigkeit lag aber nicht am Hund, sondern an Frauchen - nämlich sie zu überzeugen, das zu ändern. Denn die Hürde besteht ja häufig darin, bei den Leuten überhaupt ein Bewusstsein zu schaffen, dass sie mit ihrem Verhalten dem Hund nichts Gutes tun. Bedeutet: Es ist fast nie der Problemhund, sondern der Mensch, der seine Einstellung und sein Verhalten überdenken und verändern muss.

Lehnen Sie auch Fälle ab?

Rütter Nur, wenn es die Leute nicht ernst meinen mit dem Training. Bei der V.I.P.-Variante des Hundeprofis passiert es schon mal, dass sich Promis bewerben, die gerade nur ihre neue CD oder ihr neues Buch promoten wollen. Solche Kandidaten sortieren wir rigoros aus.

Gibt es Rassen, die schwerer zu trainieren sind?

Rütter Rassen, die seit Jahren auf die Zusammenarbeit mit dem Menschen gezüchtet wurden, sind leichter zu erziehen - wie zum Beispiel der Labrador, der Golden Retriever oder auch eine alte Jagdhunderasse wie der Pudel. Am Ende muss man aber auch wissen, dass jeder Hund für sich eine eigene Persönlichkeit ist, ein individueller Charakter mit Stärken und Schwächen.

Wenn Sie nicht Hundetrainer geworden wären, welchen Beruf würden Sie heute ausüben?

Rütter Dann wäre ich wohl Sportreporter geworden. Ich habe ja ein paar Semester an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert, währenddessen aber auch schon Hunde trainiert. Irgendwann habe ich mich komplett fürs Thema Hund entschieden. Im Rückblick kann ich nur sagen: die absolut richtige Wahl.

Sie machen auch Comedy und füllen mit Ihrem Programm mittlerweile Hallen. Überrascht Sie der Erfolg?

Rütter Jein. Dass es mal diese Dimensionen annehmen würde, war natürlich nicht unbedingt plan- oder vorhersehbar. Aber ehrlich gesagt, habe ich schon recht früh gespürt, dass in diesem Bereich enormer Bedarf besteht und großes Potenzial schlummert. Ich halte ja schon seit über zehn Jahren Vorträge, und mir hat das schon immer riesigen Spaß gemacht. Beim Comedy-Programm hat es angefangen mit sieben Zuhörern, irgendwann waren es 300, später über 1000. Inzwischen kommen mehr als 10.000 Menschen in die Hallen. Wahnsinn.

Sie standen gerade für eine Vox-Sendung auch mit Wölfen vor der Kamera. Wo liegt der Unterschied zu Hunden?

Rütter Natürlich kann man das Verhalten unserer Haushunde nicht eins zu eins vom Wolf ableiten und übertragen. Dennoch ist der Wolf erwiesenermaßen der Stammvater des Hundes, und so findet man immer noch einige "wölfische" Verhaltensweisen. Nicht zuletzt hat jeder Hund Zähne, die er auch einsetzen kann. Im besten Fall, um Nahrung zu zerkleinern, im schlimmsten Fall, um sie zur Verteidigung oder zum Angriff auf Menschen einzusetzen.

CHRISTIAN SCHWERDTFEGER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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