Führerschein mit 17 - ein Erfolgsmodell

Im April 2004 führte Niedersachsen als erstes Bundesland das Angebot ein - im September 2005 folgte NRW. Nach anfänglicher Skepsis hat sich das Modell etabliert. Drei Fahrschüler erzählen, warum sie nicht bis 18 warten wollten.

Düsseldorf Linda Espey strahlt übers ganze Gesicht. Die Schülerin hat endlich ihre Führerscheinprüfung bestanden und darf nun auch ohne Fahrlehrer ans Steuer - und das, obwohl sie noch nicht volljährig ist. Seit zehn Jahren können Jugendliche ab 17 Jahren ihren Führerschein machen. Im April 2004 führte Niedersachsen als erstes Bundesland in einem Modellversuch das Angebot ein. Die Jugendlichen dürfen mit ihrer Prüfungsbescheinigung in Begleitung eines erfahrenen Autofahrers hinters Steuer. Mit 18 bekommen sie dann ihren Führerschein. In NRW geht das seit September 2005.

Linda Espey, Vero Müller und Anton Esser, alle 17 Jahre alt, haben sich entschieden, den Führerschein früh zu machen - aus guten Gründen. "Nächstes Jahr mache ich mein Abitur, dann werde ich viel lernen und hätte kaum Zeit, mich auf meine Führerscheinprüfung vorzubereiten", erzählt Linda. "Darum habe ich das schon jetzt gemacht und kann mich dann auf die Schule konzentrieren." Vero Müller möchte nach dem Abi ins Ausland gehen und bis dahin so viel Fahrpraxis wie möglich sammeln. "Es hat sich daher angeboten, den Führerschein so früh zu machen."

Bis zu ihrem 18. Geburtstag dürfen die Drei nur in Begleitung eines Erwachsenen unterwegs sein, der mindestens 30 Jahre alt ist, fünf Jahre Fahrerfahrung hat und maximal drei Punkte in Flensburg. Anton hat sich für seinen Vater entschieden. "Meine Mutter wäre zu emotional, mein Vater ist besser geeignet", verrät er. Bei Linda dürfen beide Eltern als Begleiter fungieren, "und mit meiner Mutter werde ich mich im Auto gut verstehen. Aber mit meinem Vater kann es auch mal krachen", sagt sie. Denn nicht immer sind sich Vater und Tochter einig über die beste Fahrweise.

Lindas Fahrlehrer Ünal Kirbag von der Düsseldorfer Fahrschule Reinhold weiß, wie wichtig es ist, auch die Begleiter mit ins Boot zu holen: "Sie sollen in kniffligen Situationen beraten und Sicherheit geben. Sie sind aber keine Fahrlehrer, das müssen sie verstehen." Daher sei es auch nicht nötig, dass sie auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. "Auch von der Rückbank aus können sie als stille Beobachter mitfahren und helfen, wenn sie darum gebeten werden", sagt Kirbag. Der positive Effekt des begleiteten Fahrens bestehe darin, dass die jungen Autofahrer nach ihrer Fahrprüfung nicht sofort alleine im Auto sitzen, sondern viele Monate begleitet werden, erklärt Hannelore Herlan von der Deutschen Verkehrswacht.

Zu Beginn des Modellversuchs war der Widerstand groß. Der ADAC befürchtete damals einen rasanten Anstieg der Unfälle von Fahranfängern. Inzwischen ist auch aus dem Autoclub ein Befürworter geworden. "Wir haben dazugelernt", sagt ein ADAC-Sprecher. Studien belegten, dass das Unfallrisiko durch das begleitete Fahren um 20 Prozent verringert wird. "Damit erweist sich das begleitete Fahren ab 17 unter allen Fahranfänger-Maßnahmen als die Maßnahme mit der weitaus höchsten Sicherheitswirksamkeit", heißt es dazu aus der Bundesanstalt für Straßenwesen.

Die drei Düsseldorfer Fahrschüler jedenfalls sind sich einig, dass sie mit 17 nicht zu jung sind, um ein Kraftfahrzeug zu bedienen. "Meine Fahrlehrerin sagt, das habe etwas mit Reife zu tun", sagt Vero. So könne sie mit 17 schon reifer sein als vielleicht ein 20-Jähriger. Fahrlehrer Ünal Kirbag findet das Alter 17 ideal: "Diese Altersgruppe lernt ganz anders als jemand mit 25. Die Jugendlichen sind Prüfungssituationen gewohnt und sehr aufnahmefähig."

Kirbag erinnert sich, dass die 17-Jährigen den Fahrschulen damals nicht gleich die Türen eingerannt haben: "Erst mit den Jahren stieg die Akzeptanz und damit der Zulauf. Die Leute haben gesehen, dass es funktioniert, und sind heute weniger skeptisch." Zudem machten die Schüler heute dank G 8 ein Jahr früher das Abitur - warum dann nicht auch ein Jahr früher den Führerschein machen? Schließlich sei beides ein Zeugnis von Reife.

Reife beweisen die drei Fahrschüler auch, indem sie Kompromisse eingehen und Verantwortung übernehmen. "Damit meine Eltern mich beim Fahren begleiten, musste ich versprechen, dass ich mit 18 auch sie mal herumfahre oder meine Schwester mit zum Training nehme", erzählt Linda. Vero, die als Begleiterin ihre Nachbarin hat, revanchiert sich, indem sie im Gegenzug auf deren Kinder aufpasst.

2008 haben alle Bundesländer den Führerschein mit 17 eingeführt, 2011 wurde aus dem Modellversuch eine gesetzliche Regelung. Für Linda, Vero und Anton ist das Angebot selbstverständlich: "Fast alle unsere Freunde machen das so", sagen sie.

(RP)
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