Erwachsene Lego-Fans Große Männer, kleine Steine

Mettmann/Viersen · Zu Legosteinen greifen weltweit viele Menschen auch Jahrzehnte nach dem Ende ihrer Kindheit. Was fasziniert sie so an den bunten Steinen?

Imposante Lego-Bauten aus Viersen
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Imposante Lego-Bauten aus Viersen

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Foto: Hahn

Das Paradies liegt zwischen einem Fleischgroßhandel und einer Verzinkerei im Gewerbegebiet Mettmann-Ost. Mehr als sieben Millionen Legosteine lagern hier in einer rund 400 Quadratmeter großen Lagerhalle.

Jeder ist einzeln käuflich, abrechnen können Schnäppchenjäger ganz schnell und unkompliziert nach Gewicht. 100 Gramm gibt es bei Stefan Lering (45) schon ab drei Euro, doch auch rare Teile für dutzende Euro pro Stück sind im Angebot. Jedes Fenster, jeden Reifen, jedes Schwert hat er auf Lager, fein säuberlich sortiert, zumindest nach Farbe - und das heißt längst nicht mehr bloß in Rot, Blau und Gelb. Durch die transparenten Scheiben der Kisten und Kästchen strahlt es in diversen Gelb-, Orange-und Rottönen, Hell- und Dunkel-Türkis, Lila und Pink, Silber und Gold. Daneben locken dutzende Boxen mit Steinen in Grau- und Grün-, Beige- und Brauntönen diejenigen, die sich mit immer realistischeren Eigenbauten gegenseitig übertreffen.

Diese Kinder sind 30, 40, 50 Jahre alt. Sie nennen sich AFOLs - Adult Fans of Lego. Der Konzern hält Kontakt zu 400.000 offiziell organisierten Fans aus aller Welt. Rund 100.000 dürften es allein in Deutschland sein, die sich etwa im Forum „1000steine.de“ austauschen oder die Seite „zusammengebaut.com“ verfolgen, die der Fachjournalist Andres Lehmann (37) als Vollzeit-Job betreibt. Diesen kaufkräftigen Hardcore-Fans bietet Lego XXL-Bausätze an; Architektur-Ikonen, Trucks und Trecker, Schaufelradbagger und „Star Wars“-Raumschiffe. Das größte käufliche Modell ist das Taj Mahal aus 5.922 Teilen, erhältlich ab 2.000 Euro.

"Lego-Fans sind nette Leute"

Doch viele wollen mehr, planen und bauen ausgefallene eigene Modelle, teils aus hunderttausenden Steinen. Diese Superfans will der gelernte Schreiner Lering beglücken, aber auch ganz normale Kinder. Sein Laden dürfte zu den größten Deutschlands gehörten. "Mag sein", sagt er; "ist doch total egal."

Für eine Schnapsidee hielten die Experten, die Lering vor der Gründung von „FigsBricks“ (“Figuren und Bausteine“) 2012 um Rat bat, seinen Einfall nur sehr kurz: „Die Umsatzkurve von Lego war die steilste, die sie je gesehen hatten.“ Die Schufterei vor der heutigen Neueröffnung ist Lering nicht anzusehen. „Reich werde ich hiermit definitiv nicht“, sagt der Mann, der jedem ein Päckchen Gummibärchen in die Hand drückt und jeden Preis abrundet, „aber ich habe noch nie in meinem Leben etwas gemacht, das mir so viel Spaß macht.“ Angst vor Dieben hat er nicht. „Komplett wird sich das wohl nicht vermeiden lassen“, sagt er. „Aber Lego-Fans sind nette Leute.“

Leute wie Claus-Marc Hahn (41). Der gelernte Koch, der am Berufskolleg Grevenbroich auch Nachwuchs-Köche ausbildet, ist einer der größten Stars der Lego-Szene. Fotos und Videos seines Modells der Burg "The Red Keep" aus der Fantasy-Serie „Game of Thrones“ erreichten ein Millionenpublikum in aller Welt. 800 Arbeitsstunden und 125.000 Bauteile hat er für das 65 Kilo schwere Bauwerk gebraucht, dessen Türme sich drehen und auf- und abbewegen wie beim Vorbild. „Gemessen oder gerechnet hab ich dafür nix“, sagt Hahn grinsend. Er schaut sich meist bloß ein paar Fotos an, danach verlässt er sich ganz auf sein Gefühl. Wie beim Kochen. Hahn hätte das Modell in China oder in den USA ausstellen können, aber in Mettmann bei seinem Bekannten fühle es sich richtiger an, sagt er.

„Mittelerde" aus 500.000 Lego-Steinen

Noch vor drei Jahren hatte Hahn mit Lego nichts am Hut. Doch es brauchte nur ein Weihnachtsgeschenk, und er fühlte sich in seine Kindheit zurückversetzt. „Dieser Spaß, diese Unbeschwertheit — Wahnsinn!“ Deshalb kaufte er alle 30 anderen Modelle der „Herr der Ringe“-Reihe und baute dann den Rest des fiktiven Kontinents Mittelerde selbst — aus 500.000 Steinen. Im Netz sind Hahns Bauten unter „BricksCreations" zu finden.

Seine Frau ist ebenso wie Lering als Händlerin bei der Lego-Börse BrickLink.com unterwegs. Dort sind alle je produzierten Legosteine in allen Farben erhältlich. 800 Händler kommen aus Deutschland, in der Region sind gleich drei der größten zu Hause, neben „FigsBricks“ auch „German Brick Circus Bulk“ (Dinslaken) sowie „ACME Industries“ (Grevenbroich). Hier ist die Versorgung mit Nachschub gesichert, denn der kommt nicht nur aus den offiziellen „Lego Stores“: Während Spielzeug auf dem Land meist vererbt wird, werden die unzähligen Mietwohnungen im Ballungsgebiet Rhein-Ruhr häufig „ausgemistet“.

In der Szene kursieren Gerüchte, dass Hahn seine Steine billiger bekomme, wenn nicht gleich ganz geschenkt. "Schön wär's!", sagt der dazu nur lachend. Wie viel ihn sein Hobby kostet, verrät er nicht. Nur so viel: „Falls mir mal etwas zustößt, verkauft meine Frau mein Lego hoffentlich nicht nur für so wenig, wie ich ihr gesagt habe, dass es wert sei!“

Nathan Sawaya macht große Kunst aus kleinen Legosteinen
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Nathan Sawaya macht große Kunst aus kleinen Steinen

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Foto: dpa, tba

Ihre Kinder Miriam (2) und Elias (4) jedenfalls bräuchten zum Spielen nicht mehr als ein paar hundert Steine. Denselben Effekt beobachtet der Großhändler Stefan Lering: „Die meisten Kinder wollen ihre Eltern gar nicht überreden, zig Kilo zu kaufen. Mit einer oder zwei Figuren sind sie glücklich.“ Ganz im Gegensatz zu den Vätern. Hahns nächstes Projekt, soll ein Eisdrache werden; „klein und filigran, aus weißen, türkisen und rosa Steinen. 25.000 Stück.“ Zum Beruf machen will er sein Hobby nicht: „Um Gottes Willen! Als professioneller Lego-Bauer musst du schließlich nach Kundenwunsch arbeiten. Und ein kleines, simples Müllauto würde ich nur für meinen Sohn bauen.“

(tojo)
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