Erftstadt Harald Schmidt erteilt Lebenskunde

Erftstadt · Nach einem knappen Jahr Fernsehabstinenz hat sich der frühere Late-Night-Talker als Aushilfslehrer zurückgemeldet. Zwei Stunden lang erklärte Schmidt Gymnasiasten in Erftstadt, worauf es in der Schule ankommt - und worauf nicht.

Den meisten Schülern fällt der lange Schlaks mit den schütteren grauen Haaren nicht sonderlich auf, der im Flur an ihnen vorbei ins Lehrerzimmer schlendert. "Guten Tag, Schmidt mein Name", stellt er sich vor, als die Tür zufällt und er vor Lateinlehrer Dieter Esser steht. Er sei vom Kultusministerium und wolle mal nach dem Rechten schauen. Man höre ja so einiges über die Schule. "Nieder mit der Bildungselite", ruft "Dirty Harry" dann. Lateinlehrer Esser kann darüber nicht sonderlich lachen.

Harald Schmidt ist wieder da. Nicht im Fernsehen, wo er bis vor einem Jahr beim Bezahlsender Sky zu sehen war, sondern für zwei Stunden als Aushilfslehrer am Ville-Gymnasium in Erftstadt bei Köln, in dem es nach "Krankenhaus müffelt", wie der 57-Jährige befindet. Die Schüler haben ihn eingeladen, weil er ihnen beweisen soll, dass man in der Schule doch fürs Leben lernt. Und das macht Schmidt gerne, selbst Vater von fünf Kindern, wenn auch nicht so, wie sich die Lehrer das vorgestellt haben - denn von denen hält er nicht wirklich viel. "Es sind meistens Oberstudienräte aus dem ländlichen Raum, die Anzeigen gegen mich fabrizieren", sagt er, als er auf einem roten Sofa in der Aula Platz nimmt, die der Ästhetik alter katholischer Gemeindehäuser in nichts nachstehe. Die Schüler, grölen und finden das komisch, der Lateinlehrer, der neben Schmidt in einem Sessel sitzt, kann darüber nicht lachen. Der Moderator merkt das und beschwichtigt: "Die Lehrer sind doch schon wichtig."

Angriffslustig wie zu besten Zeiten zerlegt der einstige Chefzyniker des deutschen Fernsehens das Bildungssystem. Und die Schüler finden es toll, wie der ältere Mann mit dem dicken Rollkragenpullover und den etwas zu hoch gekrempelten Hosenbeinen über das Schulwesen lästert. "Ich hab' mich als Herbergsvater verkleidet, weil das hier ja keine Fernsehshow, sondern eine offizielle Schulveranstaltung ist." Er sei der Harry, und er fragt die Schüler, ob denn Deutsch die Umgangssprache in der Schule sei. Ja, antworten sie. Schmidt stutzt: "Werden dann nicht viele hier ausgeschlossen?" Schmidt ist in Plauderlaune. Ihm ist es egal, ob er vor einem Millionenpublikum im Fernsehen oder vor 150 Oberstufenschülern lästert - oder wen er vor den Kopf stößt.

Wie er denn das verkürzte Abitur G8 findet, wollen die Jugendlichen von ihm wissen. Gar nicht gut, sagt Schmidt. "Das ist nur dazu geschaffen worden, um Schüler schneller für die Arbeitswelt abzurichten." Überhaupt sollten Schüler nicht so sehr auf die Noten achten. Keiner wolle Superstreber haben, die schon mit 21 Jahren promovierten. Wille und Enthusiasmus seien viel wichtiger, als in allen Fächern gut zu sein. "Die Schüler sollen beruflich das machen, wofür sie sich wirklich begeistern." Schmidt hält aber nichts davon, dass im Unterricht alltägliche Dinge wie Schnitzelklopfen oder das Ausfüllen von Steuererklärungen gelehrt werden. Die Gesellschaft lebe davon, dass die Mehrheit nicht verstehe, was in einem Mietvertrag steht.

Bereitwillig erzählt Schmidt auch von seiner eigenen Schulzeit, davon, wie er sich als Klassenclown durchgewurschtelt hat bis zum Abitur, das er trotz einer Fünf in Biologie mit 2,7 bestanden habe. Er sei gerne zur Schule gegangen - aber aus geselligen Gründen. "Da war immer Halligalli", sagt er. Er habe zu den Unruhestiftern gehört. Aber nur Rumblödeln und Lästern sei nicht cool. "Man muss auch stressfrei durch die Schule kommen."

(RP)
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