Düsseldorf Helmut Schmidt: Ich hatte eine Affäre

Düsseldorf · Der 96-jährige Ex-Kanzler macht in seinem neuen Buch ein Geständnis: Ende der 1960er Jahre habe er seine Frau Loki betrogen. Auf Bonner Fluren wurde über die Affäre einst diskret gewispert. Seine Frau wollte die Trennung.

Helmut und Loki Schmidt – gemeinsame Erinnerungen
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Der alte Dichter Günter Grass gab vor wenigen Jahren (s)ein Geheimnis preis: "Ich war bei der Waffen-SS." Der hochbetagte frühere SPD-Chef Jochen Vogel tat neulich kund: "Ich leide an Parkinson." Der deutsche Methusalem Helmut Schmidt (96) gesteht erstmals: "Ich hatte eine Beziehung zu einer anderen Frau." Potzblitz! Das Outing des Alt-Kanzlers ist für Eingeweihte weit weniger überraschend, als es etwa dessen in Wahrheit nicht zu erwartendes Bekenntnis wäre, seit Silvester nicht mehr zu rauchen.

Auch wenn es bei einem deutschlandweit vielerorts verehrten Senior wie Schmidt respektlos klingen mag, so möchte man ihm doch die lateinische Phrase entgegenhalten: "Si tacuisses, philosophus mansisses" - "Hättest du geschwiegen, wärest du Philosoph geblieben." Als dem früheren NRW-Ministerpräsidenten und Bundespräsidenten, dem lange unverheiratet gebliebenen Johannes Rau, einst eine Vorwitznase die Frage stellte, warum es anscheinend keine Frau in seinem Leben gebe, antwortete Rau so verschmitzt wie eindeutig-zweideutig: "Man kann auch im Stillen Gutes tun."

Wir möchten jetzt hier nicht frivol werden, aber Helmut Schmidt hat als schneidiger Bundestagsabgeordneter und Bundesminister in Bonn fernab von seiner Wochenend-Ehefrau Loki (verstorben 2011) privatim manch "Gutes" getan. An die in der Hinsicht besonders reiche vita activa seines Parteigenossen und Kanzler-Vorgängers Willy Brandt reichte der emotional eher karge Hamburger nicht heran. Aber die Bonner Insider wussten und wisperten es auf den Fluren: "Schmidt-Schnauze hat 'ne Freundin." Vergleichsweise diskret wie die Bonner Zeiten waren, stand das in keiner Zeitung. Die Dame, so viel gibt der älteste lebende prominente Deutsche nun im "Stern" bekannt, war eine solche mit SPD-Parteibuch. Und: Sie sei vor zwei Jahren gestorben. Er habe an ihrer Beerdigung teilgenommen.

Was Zeitpunkt und Dauer der außerehelichen Beziehung betrifft, so lässt der Mann mit der Altersbekennerhaftigkeit uns Neugierige im Nebel stochern. Nicht wirklich, denn es waren die späten Sechziger und die früheren Siebziger, als Helmut mit zähnezeigendem, virilem Charme seiner Lebensliebe Loki zumindest körperlich untreu wurde. Wir möchten dazu den alten Schlager "Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei" anstimmen und berichten, dass Schmidts "Fisternöll" (rheinisch für: seine Affäre) in dem Moment vorbei war, als im Frühjahr 1974 aus dem Herrn Minister der Herr Bundeskanzler geworden war. Aus Vorsicht (Feigheit?), so heißt es, habe der Wehrmachts-Oberleutnant die Geliebte aus dem Bonner Feldbett geschubst. Die Ehefrau, mit der Helmut Schmidt sagenhafte 68 Jahre verheiratet war - in den letzten Jahren ihrer Zweisamkeit war eine rührende Innigkeit zwischen den greisen Kultfiguren erlebbar - wusste damals um Helmuts Wirkung auf das schöne Geschlecht und die konkret gewordene Empfänglichkeit für dessen Lockungen. Loki Schmidt bot ihrem Ehemann die Trennung an, was dieser, wie er erzählt, für absurd hielt. Es war also wie in unzähligen Ehefrau/Geliebte-Fällen: Erstere blieb, um das Skatspiel zu bemühen, in der Vorhand, Letztere hatte schlechte Karten und musste zu Tode betrübt den Spieltisch der Geschlechter verlassen.

Was Privates anging, war Schmidt wie Moltke "Der große Schweiger". Seine jüdischen Wurzeln väterlicherseits, der als Kleinkind an Hirnhautentzündung verstorbenen Sohn, die Ohnmachtsanfälle im Kanzlersessel - das alles behielt er weitgehend für sich. Wir vermuten, dass das Outing in Buchform "Was ich noch sagen wollte" eine biografische Aufräumarbeit sein soll. Komisch, es will einem nicht Reinhard Meys Songtext aus dem Kopf: "Gute Nacht Freunde ... Was ich noch zu sagen hätte, dauert eine Zigarette."

(RP)
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