Düsseldorf Höflichkeit zahlt sich aus

Düsseldorf · In Großbritannien verbietet eine Bar ihren Gästen das Fluchen. Auch in Deutschland gibt es Aktionen gegen taktlose Kunden. Denn die Tendenz zeigt, dass die Höflichkeit vernachlässigt wird, sagt eine Knigge-Expertin.

Wer sein Eis höflich bestellt, muss weniger zahlen - vor einigen Wochen hatte Pino Cimino von der Eisdiele Cassata in Karlsruhe die Idee. Er hat ein Plakat entworfen und damit für Schlagzeilen gesorgt: "1 Kugel Eis bitte - 1 Euro" ist darauf zu lesen. Entscheidet man sich für eine Ansprache mit "Ich will" oder gar "Das da" steigt der Preis auf drei Euro. Was mit einem Augenzwinkern die Gäste zu mehr Höflichkeit anhalten soll, hat eine durchaus ernst gemeinte Botschaft. Seit 25 Jahren arbeitet Cimino in der Gastronomie und stellt fest, dass sich die Umgangsformen der Gäste verändert haben: "Einige bedanken sich nicht mehr, andere gehen, ohne sich zu verabschieden", erklärt er.

Das ist nicht nur in Baden-Württemberg so. Lars Boes etwa vom Printerstore in Neuss - einem Geschäft für Druckzubehör und Bürobedarf - bemerkt, dass sich das Kundenverhalten im Laufe der Jahre verändert hat: Zwar begegne er überwiegend freundlichen Menschen, doch gebe es auch bei ihm solche, die, ohne ein Wort zu sagen, etwas auf die Theke legen und ohne jegliches Grußwort in seinem Laden ein- und ausgehen.

Und Francisco Marquez, Inhaber der Pommesbude Fritten Piet an der Grafenberger Allee in Düsseldorf, antwortet auf die Frage, wie er die Kundenhöflichkeit erlebt, prompt: "Kann man bei vielen vergessen." Dazu gehört, dass einige ungeduldig bis aggressiv werden, wenn ihre Bestellung einmal länger dauert - aber auch, dass Höflichkeitsformeln weggelassen werden: "Die Gäste müssen ja nicht gleich sagen: ,Hallo, na wie geht's? Alles klar?', aber etwas Aufmerksamkeit wäre schon angebracht", sagt er und fügt hinzu, "es hat etwas mit dem Respekt vor dem Gegenüber zu tun - man ist ja keine Maschine, die zu funktionieren hat."

Ein Vergleich, den Linda Kaiser von der deutschen Kniggegesellschaft passend findet: "Wenn ein Mensch real vor mir steht, sei es nun ein Chef oder ein Dienstleister, dann beschäftige ich mich mit ihm, das heißt, ich schaue ihn an und kommuniziere", sagt sie. "Es entwickelt sich aber eine Tendenz in der Gesellschaft, dass diese Selbstverständlichkeiten vernachlässigt werden."

Der Eisverkäufer aus Karlsruhe ist nicht der Einzige, der dagegen Maßnahmen ergreift: Jahre vor ihm gab es in Stuttgart ein ähnliches Plakat mit einem Aufpreis für Unhöflichkeit. In Italien gewährt ein Wirt Eltern mit gut erzogenen Kindern Rabatt, und in London verbietet ein Brauerei-Unternehmen seinen Kunden das Fluchen.

"Eine paradoxe Intervention" nennt Kundensoziologe Alfred Fuhr die Höflichkeitsplakate. Schließlich sei es üblicherweise so, dass der Kunde der König sei und sich der Dienstleister ein Stück weit unterordne. Servicekräfte sind entsprechend geschult - "sie sind es, die den Kunden durch ihre Höflichkeit leiten. Sie müssen sich unter Umständen eine ganze Menge gefallen lassen", sagt er und betont: "Kundenkommunikation ist keine Alltagskommunikation, sie darf nicht persönlich genommen werden."

Was eine Servicekraft mitunter erlebt, kann Torsten Lode von der Düsseldorfer Eisdiele Herrtotti Eis-Manufaktur erzählen: Ein Gast hat einmal ein Eis an die Scheibe geworfen, weil ihm die Sitzsituation nicht passte. "Da wundert man sich, dass erwachsene Menschen so ungezügelt reagieren." Doch handele es sich dabei um einen absoluten Ausreißer, betont Lode: "Überwiegend sind unsere Gäste freundlich und verständnisvoll, sie wissen, das handgemachte Eis zu schätzen, und genießen unsere familiäre Atmosphäre."

Dass sich die Unhöflichkeiten bei den Kunden häufen, erklärt sich Pino Cimino aus der Cassata-Eisdiele in Karlsruhe so: "Die Leute haben keine Zeit mehr, sie sind so mit ihrem Beruf und Familienleben beschäftigt, dass sie nicht mehr nach links oder rechts gucken", sagt er. Als Beispiel nennt er die Menschen, die mit der einen Hand am Handy sind und mit der anderen auf die Eissorte zeigen. "Ich kann so überhaupt nicht erkennen, was sie meinen", sagt er. Mittlerweile ist er dazu übergegangen, so lange den nächsten aufzurufen, bis derjenige aufgelegt hat. Dass die modernen Kommunikationsmittel einen Teil zur Unhöflichkeit beitragen, bestätigen auch andere Gastronomen und Dienstleister. "Die jüngere Kundschaft kommt mit Kopfhörern in den Ohren zu mir, und man muss winken wie ein Weltmeister, damit sie überhaupt reagieren", berichtet Francisco Marquez von Fritten Piet.

Die stellvertretende Vorsitzende der Kniggegesellschaft sieht in den Medien eine Komfortzone, die viele nur ungern verlassen. Neben den genannten Unhöflichkeiten zählt sie eine weitere auf: Wenn ein Gast unzufrieden war, es dem Kellner aber nicht direkt sagt, so dass er sich verbessern kann. Stattdessen gibt der Kunde kein Trinkgeld und schreibt dem Chef hinterher eine erboste E-Mail. Die feine Art sei das nicht. Sowieso sollte Kritik möglichst privat, mit gedämpfter Stimme geäußert werden, dass es nicht gleich jedermann mitbekommt. Einig sind sich die Dienstleister und die Knigge-Expertin: Auf Unhöflichkeit reagiert man am besten mit noch größerer Nettigkeit.

(ubg)
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