Arnsberg Höher, bunter, matschiger

Arnsberg · Wer beim "Strongman Run" oder beim "Tough Mudder" mitmacht, dem ist bloßes Geradeauslaufen zu langweilig. Bei diesen Wettbewerben müssen Hindernisse und Höhen überwunden werden - der Spaßfaktor ist dabei am wichtigsten.

Es wird ein dreckiges Wochenende für Michael Busche. Zusammen mit Tausenden anderen Läufern wird der 41-Jährige unter mit Wasser und Matsch gefüllten Planen hindurchrobben, eine drei Meter hohe Halfpipe bezwingen, durch einen mit Eiswasser gefüllten Graben waten und sich an einem Balkengerüst mit Haken entlanghangeln. "Tough Mudder" - grob übersetzt "zäher Matscher" - heißt das Laufevent am Jagdschloss Herdringen bei Arnsberg, an dem Busche morgen teilnimmt. Für ihn ist der 18 Kilometer lange Parcours mit mehr als 20 Hindernissen eine ganz besondere Herausforderung. Denn Michael Busche ist blind.

Für immer mehr Hobby- und Leistungsläufer sind klassische Marathonläufe längst keine Herausforderung mehr. Vielmehr steht das Event an sich im Vordergrund: Farbläufe, Matschläufe und Höhenläufe haben Hochkonjunktur. Hier findet jeder Läufer seine Nische, vom Spaßteilnehmer bis zum Hochleistungssportler. "Tough Mudder" etwa lockte zum ersten Event vor fünf Jahren 20 000 Teilnehmer - ein Jahr später waren es bereits 140 000. Inzwischen findet der Lauf jährlich 60 Mal in mehr als sieben Ländern statt - mit fast einer Million Teilnehmern weltweit. Das Interesse ist auch am "Fisherman's Friend Strongman Run" (FFSMR) massiv gestiegen: Der erste Lauf der Reihe fand 2007 mit 1700 Teilnehmern auf einem Truppenübungsplatz in Münster statt. Es war laut Veranstaltern der erste Hindernislauf in Deutschland. Für den "Strongman" am Nürburgring im Mai meldeten sich 13 000 Läufer an. Auf einer Strecke von 24 Kilometern müssen die Teilnehmer Hindernisse passieren und dabei 900 Meter Höhenunterschied überwinden. Die Gebühren betragen mehr als 100 Euro.

"Diese Läufe funktionieren so gut, weil neben einer sportlichen Herausforderung vor allen Dingen Spaß im Vordergrund steht", sagt FFSMR-Sprecherin Karla Stanek. "Die Hindernisse nehmen der Halbmarathon-Distanz ihre Monotonie, es geht nicht ums Gewinnen, sondern ums Dabeisein, Durchhalten und darum, seine persönliche Herausforderung zu meistern." Teamgeist sei wichtig, um Hindernisse zu überwinden. Man tritt nicht gegeneinander an, sondern miteinander.

In 1:36:57 schaffte der diesjährige Sieger Robin Dechant den Parcours. Der Student aus Karlsruhe mag die Abwechslung, die ein solcher Hindernislauf bietet. "Zehn Kilometer geradeaus laufen, das wäre nichts für mich", sagt der 25-Jährige. "Ich trainiere gerne im Gelände oder laufe Berge hoch; im Wald springe ich über querliegende Bäume, so lernt man das Tempo zu wechseln und trainiert den Sprung über Hindernisse." Um sich auf einen Wettkampf vorzubereiten, läuft er Distanzen von 30 Kilometern. "Immer mehr Leute wollen wie ich an die eigenen Grenzen gehen."

Auch Frauen testen bei Eventläufen ihre Ausdauer und Fitness. So wie die Düsseldorferin Conny Wilhelm, die mit Michael Busche an "Tough Mudder" teilnimmt. "Ich finde das Fitnessstudio langweilig, und auch normale Läufe sind nichts für mich", sagt die 33-Jährige. Ihr gehe es darum, ihren inneren Schweinehund zu besiegen - und zwar "bis es weh tut". "2014 habe ich zum ersten Mal teilgenommen. Es war ein großartiges Gefühl, es geschafft zu haben. Wir haben danach vor Freude geweint."

Sportmediziner Michael Fritz aus Viersen, der schon 15 Mal beim Triathlon über die Ironman-Distanz angetreten ist, warnt Anfänger davor, zu schnell aufs Ganze zu gehen. Solche Läufe seien nichts für Untrainierte und müssten gut vorbereitet werden. "In meinen Augen haben diese Läufe aber nichts Extremes", sagt Fritz. Das wollten die durch Sporteventmanager gewählten Titel aber vermitteln. Ein Halbmarathon sei mit Breitensporttraining, dazu gehöre zwei oder dreimal pro Woche Laufen, zu schaffen. "Läufe wie der ,Strongman' oder der ,Color Run' haben Festivalcharakter, die Teilnehmer stehen mit Tausenden in der Startaufstellung und feiern sich selbst, teilweise sind sie verkleidet, Animatoren putschen sie auf - mit Leistungssport und Gesundheit hat das nicht viel zu tun", macht Fritz deutlich. "Solche Wettkämpfe dienen einerseits als Abwechslung im Alltag, andererseits wird der Leistungsgedanke aus dem Job in der Freizeit weitergeführt."

Michael Busche traut sich den "Tough Mudder" zu, geht aber keine unnötigen Risiken ein. "Bei einem Hindernis muss man über eine 1,70 Meter breite Grube auf einen 30 Zentimeter breiten Balken springen - das kann ich als Blinder nicht. Also gehe ich direkt in den Matsch", sagt er. Ob er die 15 Quadratmeter große Eiswasser-Grube bewältigen kann, weiß er noch nicht. "Das kommt drauf an, ob Conny dabei sein wird. Alleine verliere ich da drinnen die Orientierung." Die Eisgrube ist Conny Wilhelms größte Herausforderung: "Man springt hinein und bekommt im zehn Grad kalten Wasser keine Luft mehr", sagt sie.

Echte Extremläufe sind laut Fritz Höhen- oder Bergläufe wie der Jungfrau-Marathon in der Schweiz oder der Zugspitzlauf. Beim "Salomon 4 Trails" in Berchtesgaden müssen die Läufer 162,4 Kilometer zurücklegen und 9288 Höhenmeter bewältigen. Die Strecke führt an vier Tagen von Berchtesgaden über Bad Reichenhall bis nach Maria Alm. Pro Tag stehen 30 bis 50 Kilometer an - da raubt einem nicht nur der Ausblick den Atem.

(RP)
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