Lebensmittelskandale Was uns 2012 auf den Magen geschlagen ist

Düsseldorf · Es war mit Glykol gepantschter Wein, der 1985 als erster Lebensmittelskandal Verbraucher mit der Nase darauf stieß, dass Gaumenfreuden den Gaumen nicht immer verwöhnen, sondern mitunter der Gesundheit schaden. Seitdem hat sich in Sachen Verbraucherschutz einiges getan. Was aber hat es bewirkt?

Lebensmittelrückrufe und -skandale 2012
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Lebensmittelrückrufe und -skandale 2012

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Im Jahr 2012 weiß jeder aufgeklärte Bürger, dass nicht alles einwandfrei ist, was als Nahrungsmittel in den Regalen liegt. Ob es Mäusekot nahe beim Brot ist oder Metallteile in der Fertigpizza, uns geht vieles durch Mund und Magen, das dort nicht hingehört. So begann das Jahr 2012 ausgerechnet mit dem Rückruf von Babynahrung. In ihr befand sich Weizen, obwohl der Hersteller Milupa das Produkt als glutenfrei deklariert hatte. Bei Babys, die unter Zöliakie leiden, kann das zu Bauchschmerzen und Durchfall führen. Manchmal sind es vorsorgliche Rückrufaktionen wie in diesem Fall. Leider nicht nur. Das vergangene Jahr hielt einige waschechte Lebensmittelskandale für uns bereit.

Erdbeeren aus China versus regionale Anbieter

Erinnern wir uns an 11.000 Kinder, Lehrer und Erzieher, die zwischen dem 25. Und 27. September wegen mit Noroviren verseuchte Erdbeeren aus China Brech-Durchfall bekamen. Das Robert-Koch-Institut bezeichnet diesen Vorfall als den bisher größten lebensmittelbedingten Ausbruch von akuter Gastroenteritis in Deutschland. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte im Anschluss an die Epidemie Caterer sollten offenlegen, wie streng sie überprüft werden. Der Bundesverband Regionalbewegung nutzt die Chance, und kritisiert weite Transportwege. Er fordert Nahrungsmittel regionaler Erzeuger zu bevorzugen, weil sie einfach frischer seien.

Bei der Lebenshilfe in Heinsberg zum Beispiel geschieht das seit Jahren aus Überzeugung. "Ein Schinken muss keine 300 Kilometer reisen, den bekommt man auch vom Anbieter aus der Region", erklärt Uwe Heider, der als Küchenleiter bei der Lebenshilfe in Heinsberg viel Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Anbietern legt. Die Zutaten für die 1.700 Essen, die in seinen Küchen täglich frisch für die behinderten Menschen in den Werkstattbetrieben, Kindertageseinrichtungen, der Rurtalschule und für einen weiteren Betrieb zubereitet werden, liegen nicht lange im Kühlhaus. So kommen die Kartoffeln vom Bauern nebenan, frische Säfte aus Erkelenz und auch der Metzger und Geflügelbauer kommen aus umliegenden Städten.

Heider schätzt den regionalen Bezug und weiß aus Erfahrung, dass sich so auch Probleme besser lösen lassen. "Wir bauen in Kürze bei laufendem Betrieb eine der Küchen um. Schon jetzt haben wir die Zusicherung von diversen Zulieferern, dass sie uns mit mobilen Kühlsystemen unterstützen und zur Not täglich beliefern werden. Das hat man nicht, wenn die Produkte weite Wege zurücklegen müssen." Vor Lebensmittelkontrolleuren fürchtet sich bei der Lebenshilfe niemand. Der Betrieb ist seit mehreren Jahren vom Lebensmittelüberwachungsamt der Stadt Heinsberg mit dem Smiley für überdurchschnittliche Sauberkeit ausgezeichnet. Ein Zustand, von dem viele Betriebe träumen.

Prüfungsergebnisse in NRW und deutschlandweit

190.000 Betriebe werden in Nordrhein-Westfalen jährlich kontrolliert. Dabei haben die Lebensmittelkontrolleure herstellende Betriebe im Blick, Abpacker und Transportunternehmen, den Einzelhandel und Gaststätten und verarbeitende Betriebe. 90.000 Lebensmittel in Stichproben überprüft. In Nordrhein-Westfalen ist es wie auch in Sachsen-Anhalt jede neunte bis zehnte Lebensmittelprobe, die Lebensmittelkontrolleure zu beanstanden haben, so geht es aus den Jahresberichten der Prüfungsbehörden hervor.

Das sind die offiziellen Prüfungsergebnisse. Doch stichprobenartige Untersuchungen wie sie im September zum Beispiel das Verbrauchermagazin "Markt" macht, liefern ganz andere Ergebnisse. In mehreren Supermärkten sowie Fleischerei-Fachgeschäften waren Hackfleischproben genommen worden. Jede zweite Packung war mit Keimen belastet. Zum Teil waren die offiziellen Richtwerte um das Zehnfache überschritten. Wirklich unbedenklich waren lediglich drei Proben: Eine aus der Fleischtheke von Edeka, eine Probe der Marktkette Real und eine aus einem Fachgeschäft.

Viele Skandale, die uns aus dem vergangenen Jahr noch in Erinnerung sind, zeigen dass nicht alles, was auf unseren Tellern landet, so frisch und gesund ist, wie es sein soll. Dioxin-Eier waren es im April, die uns kurz vor Ostern die Lust auf das Osterei vermiesten. Immer wieder plöppte das Thema Salmonellengefahr hoch, wie zuletzt im Oktober bei einem Lachssalat, den Aldi Nord in den Kühlregalen frisch hielt. Die letzten Wochen vor Weihnachten schwand die Lust auf die süße Vorfreude aus dem Adventskalender, nachdem Stiftung Warentest bekannt gab, dass sich in der Schokolade Mineralöl-Reste befinden könnten.

Unser ungutes Gefühl bekommt einen statistischen Unterbau, wenn man sich die Zahlen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) anschaut: Jeder vierte Betrieb bekam 2011 eine Rüge von den Lebensmittelkontrolleuren. Meist fiel den Kontrolleuren mangelnde Hygiene ins Auge. Bei einem Fünftel der 548.000 überprüften Betriebe bemängelten die Prüfer die Kennzeichnung oder Aufmachung von Lebensmitteln.

Das wird für den Verbraucherschutz getan

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch beanstandet, die Ergebnisse seien in jedem Jahr gleich und unnötig hoch. Dabei hat die Politik zahlreiche Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht, um das zu verändern. Es gibt ein Monitoring von Lebensmitteln und kosmetischen Mitteln sowie Bedarfsgegenständen, eine Nationale Berichterstattung zu Pflanzenschutzmittelrückständen in Lebensmitteln, einen bundesweiten Überwachungsplan, einen nationalen Kontrollplan, in dem Wege vom Erzeuger bis zum Verbraucher beschrieben werden und die strategischen Zielsetzungen für die Kontrolle in allen EU-Mitgliedsstaaten festgehalten wird.

"Die NRW-Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag 2012 bis 2017 dazu verabredet, die Stellung und die Rechte der Verbraucher zu stärken. Wir wollen Verbraucher mächtig und stark machen", erklärt Stefan Seidlitz, Pressesprecher des nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministeriums. Minister Johannes Remmel wolle zum einen durch eine verstärkte Transparenz die Verbraucher in eine Position bringen, in der sie eigenständige Kaufentscheidungen unter Berücksichtigung aller Fakten treffen zu können.

"Die Behörden entdecken in großer Zahl Hygienemängel, die aber nicht abgestellt werden, solange die Kontrollergebnisse den Kunden vorenthalten bleiben", sagt der stellvertretende foodwatch-Geschäftsführer Matthias Wolfschmidt. Die Lebensmittelwächter von Foodwatch fordern darum, dass die Kontrollergebnisse der einzelnen Bundesländer öffentlich gemacht werden. Transparenter würde es für die Verbraucher, wenn die Landesregierungen die bislang lediglich heiß diskutierte Hygiene-Ampel einführen würden.

Immer noch zu wenig Kontrolleure

Eine Kontroll-Ampel allerdings macht wenig Sinn, wenn die insgesamt zu geringe Zahl der Kontrolleure es nicht möglich macht, flächendeckende Kontrollen durchzuführen oder die Betriebe, die eine rote Ampel tragen, erneut zu überprüfen, damit sie den warnenden Schandfleck wieder ablegen können. In Mönchengladbach ist das Problem, das nicht jede Stadt offen und unumwunden einräumt, schon viel diskutiert worden. Der Stadt fehlt das Personal, um flächendeckend und rechtlich sicher zu kontrollieren. Sechs Kontrolleure sind für insgesamt 2.640 Betriebe verantwortlich, die nicht nur in der Lebensmittelbranche anzusiedeln sind, sondern ebenso auch als Hersteller oder Händler von Bedarfsgegenständen und Kosmetika. In Düsseldorf sind es 14 Lebensmittelkontrolleure bei rund 6.000 Betrieben.

Damit ist den sechs Kontrolleuren ein Pensum auferlegt, das sie unmöglich regelmäßig kontrollieren können: Dort wie anderswo richtet sich die Kontrolldichte nach einer Risikobewertung, die für die geprüften Betriebe festgehalten wird. Betriebe, die auffällig geworden sind oder solche, in denen das Risiko besonders hoch ist, wie in Großküchen von Krankenhäusern oder Altenheimen, werden häufiger kontrolliert. Nach Angaben der Stadt Mönchengladbach kann es so ein, "dass Gaststätten mit hohem Risiko zwei bis drei Mal pro Jahr überprüft werden, andere mit sehr geringem Risiko nur einmal in drei Jahren".

Die Arbeit der Prüfer, die im Namen des Gesetzes in den Betrieben auf Probensammlung gehen, versteht sich als Stichprobenkontrolle, sagt der Leiter des Amtes für Verbraucherschutz in Düsseldorf, Klaus Meyer. Offensichtlich aber reichen die Appelle an produzierende, verarbeitende und handelnde Betriebe nicht aus. In den letzten Jahren werden ähnlich viele Unternehmen unter die Lupe genommen und immer wieder ist es die gleiche Zahl an Beanstandungen und Mängeln.

(wat)
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