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Ungewissheit für Eltern "schier unerträglich" Lebenslange Haft für Mord an Julia

Gießen (rpo). Wegen Mordes und sexuellen Missbrauchs ist der Angeklagte im Fall Julia zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht Gießen sprach den 35 Jahre alten Angeklagten am Dienstag schuldig.

<P>Gießen (rpo). Wegen Mordes und sexuellen Missbrauchs ist der Angeklagte im Fall Julia zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht Gießen sprach den 35 Jahre alten Angeklagten am Dienstag schuldig.

Mit tosendem Applaus reagieren die Zuhörer im Gießener Landgericht, als der Vorsitzende Richter Bruno Demel am Dienstagnachmittag das Urteil verkündet: Lebenslange Haft für den Mörder der achtjährigen Julia aus dem mittelhessichen Biebertal. Der 35-jährige Thorsten Volk, so sieht es die fünfte Große Strafkammer, hatte das achtjährige Mädchen am 29. Juni 2001 ermordet, nachdem er mindestens versucht hatte, das Kind sexuell zu nötigen und zu missbrauchen.

Doch der Applaus kann an diesem Tag nicht verdecken, dass das Urteil nicht alle Beteiligten zufrieden stellt. Vor allem Julias Vater Jürgen Hose macht deutlich, dass für ihn nach dem Schuldspruch kein Frieden eingetreten ist. Die Eltern des Mädchens hatten sich von dem Prozess Aufklärung darüber erhofft, wie die letzten Stunden im Leben ihrer Tochter verliefen, warum das Kind sterben musste.

Jürgen Hose hat während des Prozesses auf ein Zeichen gewartet, auf eine menschliche Regung des Angeklagten, auf ein Wort der Reue, wie er am Dienstag erklärt. Doch Thorsten Volk verbrachte die Sitzungstage starr wie eine Statue, zurückgezogen in einem Spezialrollstuhl. "Das ist für uns schier unerträglich", sagt Jürgen Hose. Das Nichtwissen über Julias Ende treibe ihn und seine Frau "an den Rand des Wahnsinns".

Der 29. Juni 2001 ist ein heißer Tag. Julias Eltern sind mitten im Umzug. Sie haben ein neues größeres Haus gekauft, das nahezu fertig renoviert ist. Jürgen Hose ist an diesem Tag dabei, Schränke aufzubauen. Ständig pendeln Vater, Mutter und Tochter zwischen dem alten Haus und dem neuen Domizil hin und her. Mit ihren Freunden aus dem Viertel tobt Julia durch die Straßen in der neuen Umgebung und auf einem nahen Spielplatz. "Es war ein wunderschöner Sommertag, und die Kinder waren glücklich", sagt der Vater.

Während die Familie zu Mittag isst, hat Thorsten Volk im nahe gelegenen Gießen seinen Dienst in der Finanzbuchhaltung der Uniklinik bereits beendet. Mit einem Kollegen fährt er zum Einkaufen und Autowaschen. Schon an der Waschstation genehmigt er sich das erste Radler. Später in einer Gießener Kneipe geht er zu Bier und schließlich zu "Jägermeister" über. Fachleute haben rekonstruiert, dass Volk eine Blutalkoholkonzentration von 1,4 Promille gehabt haben muss, als er am Nachmittag in sein Haus in Biebertal zurückkehrt.

Prototyp des braven Durchschnittsbürgers

Wenn er Alkohol getrunken habe, sei Thorsten Volk zunächst lustig gewesen, berichten Bekannte vor Gericht. "Mit zunehmendem Pegel" habe er sich dann verändert, sei aufgedrehter geworden, manchmal auch aggressiver. Wo und wie Julia ihrem Mörder am 29. Juni 2001 begegnet ist, konnte in dem sechs Monate dauernden Prozess nicht geklärt werden.

Nicht allein, dass die Todesumstände immer noch mit vielen Fragezeichen versehen bleiben, auch ein echter Abschied blieb den Eltern verwehrt. Als Julias Leiche am 4. Juli im Wald von Niddatal gefunden wird, ist der Körper bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Ob der Täter mit dem Anzünden der Leiche Spuren eines Sexualdelikts beseitigen wollte, gehört ebenfalls zu den nicht aufgeklärten Einzelheiten des Verbrechens.

Grauenhaft entstellt hat Thorsten Volk an seinem Prozess teilgenommen. Der 35-Jährige ist Invalide, seit sich am 6. August 2001 im Keller seines Hauses eine Benzinexplosion ereignet hat. Offenbar wollte er einen Teppich, an dem Julias Blut klebte, verbrennen, wahrscheinlich wollte er dabei auch selbst sterben, erklärt Richter Demel. Die Brandmale haben vor und während des Prozesses ein Verstehen des Täters nicht erleichtert.

Der Angeklagte sei kein Monster, betont der Anwalt von Julias Eltern, Dietmar Kleiner, auch wenn er von der Öffentlichkeit teilweise als solches wahrgenommen werde. Das Beunruhigende an Thorsten Volk ist vielmehr, dass er bis zu seiner Festnahme als Prototyp des braven Durchschnittsbürgers gelten durfte: Angestellter im öffentlichen Dienst, verheiratet, eine Tochter, eigenes Haus, Mittelklassewagen. "Es war eine Tat", betont Kleiner, "die dazu beigetragen hat, dass die Welt für die Kinder in unserer Gesellschaft immer unsicherer wird."

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