Parade-Bösewicht und Charakterdarsteller Anthony Hopkins - ein Großer des Films

Düsseldorf · Der internationale Durchbruch gelang ihm zwar erst spät, dafür aber sehr nachhaltig: Als Hannibal Lecter in "Das Schweigen der Lämmer" wurde Sir Anthony Hopkins zu dem berühmtesten, vielleicht auch brutalsten Kino-Psychopath aller Zeiten. Am Silvestertag wird er nun 75 Jahre alt.

Sir Anthony Hopkins - Parade-Bösewicht mit Stil
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Sir Anthony Hopkins - Parade-Bösewicht mit Stil

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Foto: dpa, Facundo Arrizabalaga

Der Bestsellerautor Thomas Harris dürfte sich geärgert haben, als der Horrorfilm "The Rite — Das Ritual" (2011) in die Kinos kam. Harris ist der Schöpfer von Hannibal Lecter, die Figur ist sein geistiges Eigentum. Niemand darf einen Film mit Lecter im Mittelpunkt drehen, ohne Harris vorher um Erlaubnis zu bitten. Doch genau das haben die Macher von "The Rite" getan.

Ihr Trick: Harris besitzt zwar die Rechte an Hannibal Lecter, aber dessen berühmtester Interpret Anthony Hopkins gehört ihm nicht. Hopkins kann sein markantes Gesicht mit den stechenden Augen einsetzen, wie es ihm gefällt. In "The Rite" spielt er gar nicht Hannibal Lecter, sondern einen zwielichtigen Priester; er zitiert Harris' Figur lediglich mit seiner Präsenz. Und das ist juristisch unanfechtbar. So gingen unzählige ahnungslose Zuschauer in diesen Film, weil sie dachten, es handle sich um ein weiteres Hannibal-Abenteuer.

Mit Nebenrolle zum Oscar

Mit der Darstellung des kultivierten Kannibalen gelang Anthony Hopkins relativ spät der große Durchbruch. Er war 53 Jahre alt, als Jonathan Demmes "Das Schweigen der Lämmer" im Frühjahr 1991 in die Kinos kam. Eigentlich handelte es sich um eine Nebenrolle: Hopkins ist nicht annähernd so lange zu sehen wie Jodie Foster als Polizistin Clarice Starling. Doch seine Auftritte waren so einprägsam, dass sie nachwirkten. Man spürte die Gegenwart dieses Mannes, auch wenn er nicht zu sehen war. Dafür gab es einen Oscar als bester Hauptdarsteller.

Und das Weltkino hatte endlich wieder einen klassisch ausgebildeten britischen Schauspieler, der zugleich Filmstar ist. Hopkins gelang es, eine Lücke zu füllen, die Laurence Olivier und Richard Burton hinterlassen hatten. Zufällig verdankte er diesen beiden Schauspiellegenden auch seine Karriere.

Hopkins wurde in Port Talbot in Süd-Wales geboren, seine Familie wohnte ein paar Häuser weiter von den Burtons. Der zwölf Jahre ältere Burton diente ihm als Vorbild, und Olivier wurde sein aktiver Förderer: 1965 holte er Anthony Hopkins ans Old Vic.

Intellektuelle Überlegenheit mit Charme

Auch das Kino zeigte bald Interesse, doch die Versuche, ihn zum Star aufzubauen, schlugen fehl. Alistair MacLeans "Das Mörderschiff" (1971) — der Versuch, einen Geheimagenten à la James Bond mit psychologischer Tiefe zu versehen —stieß beim Publikum auf Ablehnung. Man sah Hopkins danach kontinuierlich in ambitionierten Filmen: "Der Elefantenmensch" (1980), als Adolf Hitler in "Der Bunker" (1981), Quasimodo in "Der Glöckner von Notre Dame" (1982), Captain Bligh in "Die Bounty" (1984). Aber die Kamera liebte ihn nicht, oder es war umgekehrt, und Hopkins fehlte das Selbstbewusstsein, das einen Star ausmacht. Er verschwand oft hinter seinen Figuren.

Erst nach seinem Triumph als Hannibal Lecter fand er den Mut zur großen Geste. Nichts verdeutlicht das besser als sein Butler Stevens in "Was vom Tage übrig blieb" (1993). Das ist ein emotional gehemmter Mann, pflichtbewusst bis zur totalen Selbstverleugnung. Unvergesslich der Moment, wenn er die Gäste eines Abendessens verabschiedet und nebenbei erfährt, dass sein Vater gestorben ist. Stevens bewahrt die Fassung, er lacht sogar über den Witz, den ein von Hugh Grant verkörperter Gast erzählt. Nur sein starrer Blick verrät die Trauer, die er mühselig unterdrückt.

Das ist erschütternd, gerade weil Hopkins seine Mittel so deutlich ausstellt. Eine gewisse Selbstgefälligkeit kann man ihm nicht absprechen, doch er kann sie sich leisten. Er strahlt, was immer er spielt, intellektuelle Überlegenheit aus. Man ist also erschüttert von diesem einfältigen Butler, obwohl man genau weiß, dass ein gewitzter, sich seiner Wirkung bewusster Mime dahinter steht. Derartige Widersprüche sind es, die die ganz Großen ihres Fachs meistern, und Hopkins gehört zu ihnen.

(RP/das/sap)
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