Weltstar aus Rheinberg Das perfekte Model: Claudia Schiffer

Düsseldorf · Der 44-jährige Weltstar aus Rheinberg revolutionierte das Berufsbild des Mannequins. Aus Objekten wurden selbstbewusste Performer.

Claudia Schiffer - ein Leben für die Schönheit
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Claudia Schiffer - ein Leben für die Schönheit

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Kurz überlegen: Was ist das eigentlich für ein Beruf - das Modeln? Viele denken, es würde so laufen, dass man zunächst viel auszieht, sich dann ein bisschen weniger wieder anzieht und ein Fotograf danach Aufnahmen macht. In der übrigen Zeit gibt es Prosecco vor dem Schminkspiegel. Aber so ist das nicht, nicht mehr jedenfalls. Models sind im Grunde Interpreten. Wie Sänger oder Schauspieler sollen sie etwas "rüberbringen", dem Publikum vermitteln, was andere sich ausgedacht haben. In ihrem Fall jedoch nicht den Text, sondern: ein Lebensgefühl, eine Botschaft und vor allem - so ist das halt im Kapitalismus - den Kaufanreiz. Models sind Performer, sie setzen ihren Körper ein, und die Art und Weise, wie sie das machen, ist so individuell wie der Gesangsstil eines Popstars.

Wenn man sich all das vergegenwärtigt, ahnt man, dass Modeln oder doch zumindest das Modeln in der Champions League des Modelns nicht so einfach ist. Umso stärker wird man die Leistung von Claudia Schiffer wertschätzen. Was sie konnte wie keine andere, war: Versprechen geben. Die Schönheit, die sie ins Bild setzte, verwies stets auf etwas anderes, auf mehr - auf das Glück, um genau zu sein. Man muss nur mal die Begriffe "Schiffer" und "Guess" googeln, dann erscheint auf dem Monitor das Bild von 1988, das die Fotografin Ellen von Unwerth für den Jeans-Hersteller von der jungen Claudia Schiffer gemacht hat. Sie inszenierte die 17-Jährige als neue Bardot, und sobald das Foto aufgepoppt ist, beginnt man zu assoziieren: Paris, Bohème, Aufbruch, Ausflug, Jugend, früher Morgen, Luft und Liebe. Das Bild löst Erinnerungen aus an Erlebnisse, die man gar nicht selbst hatte, man imaginiert sich in ein Leben, das man nie führen wird, und was im Kopf passiert, ist dasselbe wie im Theater oder im Kino. Obwohl da nur ein Foto ist und es eigentlich um Klamotten geht.

Claudia Schiffer wurde in Rheinberg geboren, der Vater war Rechtsanwalt, und ursprünglich wollte sie nach dem Abitur Jura studieren und in seine Kanzlei eintreten. 1987 fuhr sie nach Düsseldorf, um in der Diskothek "Checker's" zu feiern, und dort sprach sie ein Modelagent an. Sie soll sich nicht gerade darüber gefreut haben, so geht der Mythos, aber am nächsten Morgen erschien sie doch im Büro des Mannes, und zwar in Begleitung ihrer Mutter. Das war es dann mit der Jurisprudenz. Ein Jahr später lief sie für Karl Lagerfeld in Paris erstmals über den Laufsteg, sie wurde seine Muse, das Gesicht von Chanel, und hinreißend war, wie Lagerfeld ihren Namen aussprach: "Clohdia". Auch einen Film vom sprechenden Lagerfeld sollte man googeln, es ist so herrlich anzuhören: "Clohdia". Clohdia wurde in kürzester Zeit zum Weltstar. "Die Geburt der Venus", hieß es im Magazin "Tempo", alle schwärmten und waren hin und weg.

Vor Schiffer waren Models

Claudia Schiffer mit Modelinie in Berlin
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Claudia Schiffer mit Modelinie in Berlin

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Bevor Schiffer auftrat, waren Models zumeist Objekte - Ausnahmen wie Lauren Hutton bestätigen bloß die Regel. Schiffer indes schaute den Betrachter an, sie schaute zurück und forderte heraus, sie war nie nackt, auch im übertragenen Sinne nicht. Ihr gelang es, ihre eigene Persönlichkeit von der Rolle zu trennen, die sie für den jeweiligen Auftraggeber annahm. In seiner "Hamburgischen Dramaturgie" bemerkte Lessing 1778 eine Veränderung auf den Theaterbühnen: Die Schauspieler hätten aufgehört, ihre Rollen zu "spielen", schreibt er. Stattdessen "verkörperten" sie sie nun. Sie brächten sich selbst zum Verschwinden und würden zu Zeichenträgern. Es ist der Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Körper, den Lessing entdeckt hat, man könnte es auch Agieren im Material der eigenen Präsenz nennen. Das mag weit hergeholt erscheinen - Gotthold Ephraim Lessing und Claudia Schiffer! -, und das ist es allein durch den zeitlichen Abstand tatsächlich. Dennoch: Auf Schiffer trifft es ebenfalls zu.

Simone de Beauvoir fragte in ihrem Essay "Brigitte Bardot und das Lolita-Syndrom" 1959, inwiefern die derartige Inszenierung von Weiblichkeit mit Feminismus zu vereinbaren sei. Im Fall der Bardot wurde Beauvoir für ihre Verhältnisse geradezu euphorisch: Die verkörpere das Prinzip "Die Freiheit nehme ich mir", das sei gut, vorbildlich und unbedingt zu begrüßen.

Der Vergleich Schiffer-Bardot ist oft gezogen worden, man sollte lieber damit aufhören, weil das völlig unterschiedliche Figuren sind und ihre Lebenswege so verschieden. Aber eines passt doch gut in diesen Zusammenhang: "La Schiffer", wie sie genannt wird, lehnte es stets ab, Oben-ohne-Fotos machen zu lassen. Mit mir nicht: Das war revolutionär in dieser Branche.

Durch Schiffer wurde der Typus des Super-Models etabliert

Sie half, den Typus des Super-Models zu etablieren, das Konzept eines Kunst-Körpers also, der faszinierender war als das Kleid, das er trug. Und dessen Name interessanter war als der Designer, der ihn engagiert hatte. Sie machte aus Mannequins selbstbewusste Artisten. Schiffer verdiente in den 90er Jahren bis zu 75 000 Mark pro Tag, sie konnte sich aussuchen, wer sie fotografierte und in welcher Pose. Sie eroberte sich gewissermaßen das Recht am eigenen Bild, die Kontrolle. Dass das bei prominenten Kolleginnen wie Cindy Crawford zu Dekadenz führte, kann man verstehen, und von Linda Evangelista etwa ist der schöne Satz überliefert, dass sie unter 10 000 Dollar morgens gar nicht erst aufstehe. Der Unterschied: Während zum Beispiel Kate Moss noch versuchte, die letzte Runde Schampus zu ordern, saß Schiffer bereits im Flugzeug zum nächsten Termin. Ihr Business war die Verklärung des Gewöhnlichen, sie produzierte nebenbei Kalender und Fitnessvideos, baute sich selbst zur Marke aus. Ihre Disziplin brachte ihr ein geschätztes Vermögen von 250 Millionen Dollar ein.

Schiffer machte ihren Körper zur Projektionsfläche, und ein Effekt davon war, dass sie selbst dahinter nur noch als Schemen zu erkennen war. Man weiß ja kaum etwas über sie. Sie wurde unnahbar, aber im besten Sinne. Sie beschrieb die Differenz zwischen Kunstfigur und Charakter mit dem großen Satz: "Glauben Sie wirklich, dass ich morgens um sieben schon aussehe wie Claudia Schiffer?" Es gab nie Skandale, nur die schräge Episode der zwei Jahre währenden Verlobung mit Zauberer David Copperfield, der doch immer ein wenig schmierig wirkte und nicht zur reinen Schiffer passte. Da hätte man gern gewusst, welchen magischen Spruch er aufgesagt hatte.

1998 zog sie sich zurück, und seither erschienen erstaunlich wenige Geschichten über sie, in denen man wirklich etwas erfährt. Sie hat ein Haus in Notting Hill, das Coldham Hall heißt. Sie ist mit dem Filmproduzenten Matthew Vaughn verheiratet, und die Kinder heißen Casper, Clementine und Cosima. Ihre Kleider lagert sie in einem Hubschrauber-Hangar vor den Toren Londons - alphabetisch geordnet nach Designernamen. Quatsch-Infos, aber mehr gibt es nicht. Wenn sie auftritt, dann zumeist in edler Mission: Sie warb um Spenden für das Holocaust-Mahnmal in Berlin, machte sich für den Schuldenerlass armer Länder stark, repräsentierte vor der Fußball-WM 2006 ihre Heimat.

Die heute 44 Jahre alte Schiffer ist ein Mysterium, ein Rätsel, und das verstärkt noch die Faszination. Es ist unklar, wofür sie steht. Aber man freut sich, wenn sie in Erscheinung tritt. Sie ist das perfekte Model.

Info Am Montag stellen wir den Querdenker Bazon Brock vor.

(RP)
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