"The Most Interesting Man in the World" Der echte Chuck Norris

"The Most Interesting Man in the World" parodiert brillant Männlichkeitsklischees, indem er Chuck-Norris-Sprüche mit Leben füllt. Die US-Werbekampagne für ein Bier ist Kult, endet nun aber trotzdem. Zumindest so halb.

 Der neue van Gogh betätigt sich unter anderem auch als Sportler und Stuntpilot sowie als Retter von Witwen, Waisen und Füchsen. Weil er's kann.

Der neue van Gogh betätigt sich unter anderem auch als Sportler und Stuntpilot sowie als Retter von Witwen, Waisen und Füchsen. Weil er's kann.

Foto: Dos Equis, Montage: Ferl

Der interessanteste Mann der Welt hat keinen Namen. Braucht er auch nicht. Er ist ein Archetyp. Ein Mann mit dem Stil und Sexappeal von James Bond, dem Mut und Gerechtigkeitssinn von Robin Hood, dem Genie von Sherlock Holmes, der Abenteuerlust von Jacques Cousteau, dem Testosteron von Clark Gable und dem Look des späten Sean Connery oder Ernest Hemingway.

Kein Vorbild gibt es für den Bart der fleischgewordenen Teufelskerligkeit. Mehr noch: Die Verantwortlichen der Werbeagentur Havas hatten eigentlich ausgeschlossen, dass der Held ihrer Kampagne für die mexikanische Biersorte "Dos Equis" einen Bart tragen würde. Man schrieb das Jahr 2007, Bärte galten als das Gegenteil von cool. 500 Kandidaten bewarben sich für die Rolle, fast alle junge, bartlose Latinos. Dann betrat der Western-Schauspieler Jonathan Goldsmith (heute 77) den Raum, mit dem prächtigsten aller denkbaren Bärte, zog einen Socken aus, weil er kann, improvisierte eine halbe Stunde — und niemand hätte es gewagt, ihn um eine Rasur zu bitten.

Der Rest war Formsache. Mit Goldsmiths Bart, raunt der Off-Sprecher in den Werbeclips, habe der interessanteste Mann der Welt bereits Boxkämpfe gewonnen — ohne seine Hände benutzen zu müssen. "Nicht weniger als 25 mexikanische Folksongs wurden allein über seinen Bart geschrieben", verrät er in einem zweiten Spot. Mindestens einer davon dürfte vom Geschwindigkeitsrekord handeln, den der interessanteste Mann der Welt damals mit seinem Raketenauto gebrochen hätte — wenn, ja wenn er sich nur dazu hätte durchringen können, seinen Bart wenigstens ein wenig zu trimmen. Der Luftwiderstand, Sie verstehen. Er ließ sprießen und den Rekord Rekord sein.

Die Liste seiner Heldentaten ist dennoch lang — und, präsentiert als Gesamtkunstwerk aus verwackelten "Archivbildern", Musik und Stimmen, ein Genuss. Die kalten, harten Fakten über ihn lesen sich wie folgt:

Der Heilige Gral sucht ihn

Pulitzerpreis? Gewonnen, für seine Unterschrift. Poker-WM? Gewonnen, mit UNO-Karten.Tour de France? Gewonnen, aber nachträglich disqualifiziert wegen Benutzung eines Einrads. Nobelpreis? Kein Interesse, lieber verlieh er seinerseits der Nobel-Akademie eine Auszeichnung.

Brunnen der Ewigen Jugend? Gefunden, aber nicht daraus getrunken, "weil ich nicht durstig war". Heiliger Gral? Nicht gefunden — weil nicht gesucht. Im Gegenteil. Der Heilige Gral sucht ihn. Krebs-Heilmittel? Gefunden, seine Tränen. Zu schade, dass er nicht weint.

Sprachtalent? Welche Frage. In allen Sprachen. Darunter dreien, die nur er spricht. Draht zu Tieren? Sein Pferd ist darauf abgerichtet, sich um seine Mails zu kümmern.

Handwerkliches Geschick? In einer von ihm aus Bauklötzen errichteten Stadt leben und arbeiten 600.000 Menschen.

Und so weiter und so weiter.

Dass die Kampagne seit neun Jahren so erfolgreich läuft, liegt an dem eleganten Mix aus solcherlei Abstrusitäten, abgewandelten Sprichwörtern (“Wenn das Schicksal anklopft, und er ist nicht bereit... dann wartet das Schicksal, bis er bereit ist." — "Wenn er in Rom ist, verhalten sich die Römer wie er."), Ideen, Rat und Lebenshilfe sowie auch der einen oder anderen Heldentat, die selbst Normalsterbliche wiederholen könnten: "Er hat noch nie 15 Minuten gewartet, bis er nach einer Mahlzeit in den Pool gesprungen ist."

Goldsmith geht in Rente, die Kampagne läuft weiter

In den USA ist die Kampagne Kult. Seit sie läuft, hat der Umsatz der Heineken-Tochter Dos Equis trotz des Aufkommens von "Craft-Bieren" um 34,8 Prozent zugelegt auf zuletzt 325 Millionen Dollar. Die Sprüche sind Teil der Netzkultur, eine Softdrink-Firma produzierte eine Parodie der Parodie — mit Dirk Nowitzkis bestem Freund und Ex-Mitspieler Steve Nash als "Lächerlichster Mann der Welt".

Kein Wunder, dass die Verantwortlichen die Kampagne fortsetzen wollen — allerdings mit einem jüngeren Schauspieler, der die junge Zielgruppe noch besser ansprechen soll. Goldsmith wird standesgemäß in Rente geschickt: In einem letzten Spot flaniert der interessanteste Mann der Welt durch ein Spalier von Bewunderern zu einer Rakete, die ihn zum Mars bringt.

Gerüchte über den Tod des Schauspielers sind stark übertrieben, wie schon im April 2011. Derzeit arbeitet Goldsmith an einem Buch mit dem Titel "Bevor ich interessant war". Darin wird es weniger um Oberflächlichkeiten gehen wie das Segelboot, auf dem er lebt — und mehr um die Wichtigkeit von Naturschutz, die Vorzüge von Ruhe und Einsamkeit, harter Arbeit und echtem Lesen, die Gefährlichkeit von Abkürzungen aller Art sowie um seine Arbeit mit jugendlichen Opfern und Tätern von Gewalt.

What a Man!

(tojo)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort