Von MTV nach Mekka Die Wandlung von Kristiane Backer

London/Hamburg (RP). Kristiane Backer, die große Diva des Pop-Fernsehens, hat ihre Mini-Röcke verbannt, betet fünfmal täglich zu Allah und moderiert eine Sendung über Glaubensfragen. Über ihren Weg zum Islam hat sie jetzt ein Buch geschrieben.

Die Stars und der Islam
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Die Frau, die der erste deutschen Star des Pop-Fernsehens war, sitzt in knöchellangem Schwarz mit züchtig übereinander geschlagenen Beinen in einem kühlen TV-Studio. Sie ist vom Gegenstand ihrer Plauderei wieder einmal fasziniert.

Nur, dass es im englischsprachigen Ableger des türkischen Senders Samanyolu nicht um Stars und Sternchen geht, sondern um "Dinge des Glaubens": Kristiane Backer (43) wirbt für den Islam. Ihr Buch zur Bekehrung heißt wie der Weg, den die Tochter aus gutem Hamburger Hause in den letzten 20 Jahren hinter sich gebracht hat: "Von MTV nach Mekka".

Eine atemberaubende Karriere, wie sie nur in den frühen Privatfernsehen-Jahren vor der Internet-Revolution denkbar war: Als erste deutschsprachige Moderatorin geht Kristiane Backer 1989 zu MTV nach London und ist mit 23 Jahren mindestens so berühmt die Bands, deren Videos sie fröhlich plappernd ansagt. Sie interviewt die Stones, trifft Prince und Take That, 1992 darf sie die olympische Fackel durch Barcelona tragen. Wo Backer auf eine Bühne klettert, kreischt die Generation Pop-Fernsehen sich an den Rand des Komas.

Mit Ende 20 hat Backer eine goldene Kamera und zwei Bravo-Ottos abgeräumt, aber der Kontrast zwischen Rausch und Leere wird immer größer. Nachmittags tritt sie vor 70.000 Menschen auf, nachts ist sie allein im Hotel. 1995, pünktlich zu ihrem 30. Geburtstag, ist die Party vorbei: Schluss bei MTV, Schluss beim deutschen Bravo TV, Schluss mit der Liebe.

Backer hatte 1991 hatte den Kapitän der pakistanischen Cricket-Nationalmannschaft, Imran Khan, und mit ihm den Islam kennengelernt. Etwas überraschend für die Bekehrte heiratet Kahn statt ihrer die Millionärstochter Jemima Goldsmith. Die Verlassene schließt daraus: "Erst dachte ich, dass die Liebe mir fehlt, aber es fehlte die größere Liebe."

Backer trägt keine Miniröcke mehr, lässt den Alkohol weg, betet fünf Mal täglich, schließt sich den Mystikern des Islam, den Sufis, an und konvertiert schließlich. Die Schilderung dieses Wegs liest sich auf langen 295 Seiten teils so absurd komisch, als würde Kristiane Backer beim Schreiben noch einmal von Esther Schweins in der RTL Samstag Nacht Show parodiert.

Mal beobachtet Backer "das Phänomen, dass Menschen, die ihr Leben rein und gottgefällig leben, besonders strahlende, klare Augen haben". Mal ist sie auch bloß gerührt, dass die guten Moslems ihr nach einem Benefiz-Konzert nicht die vergessene Prada-Handtasche klauen.

In Italien vermeint sie in der Wallfahrtskapelle der Heiligen Rita plötzlich nicht vorhandene Rosen zu riechen, die Lieblingsblumen des Propheten. Sie produziert Helge-Schneider-würdige Sätze wie: "Die Rose wurde auch zu meiner Lieblingsblume."

Dass sie nach einem vergeigten Essen (die Teilnehmer klagen über Magenverstimmung) ein zweites Mal für einen Sufi-Scheich kochen darf, hält sie für ein wunderbares Beispiel "spiritueller Großzügigkeit: statt zu strafen, vergeben! Das öffnet die Herzen."

Der Islam, zu dem Kristiane Backer sich bekennt, ist selbstgeschnitzt: Niemals hätte sie sich eine Religion ausgesucht, "in der Frauen irgendwie zweiter Klasse" sind, gab sie kürzlich bei Sandra Maischberger zu Protokoll und erklärte weniger rosenduftige Praktiken wie Terror, Steinigung und Kopftuchzwang kurzerhand zu "kulturellen Erscheinungen", die mit dem Islam nichts zu tun hätten.

Mit der Liebe und den Männern tut die einstige Party-Königin Londons sich schwer. In einem Internet-Forum für heiratswillige Muslime lernt sie den Al Jazeera-Journalisten Rachid Jaafar kennen und heiratet ihn 2006; nach neun Monaten ist Schluss.

Kristiane Backer, inzwischen auch als Heilpraktikerin tätig, tröstet sich mit homöopathische Kügelchen und der Einsicht, Allah allein werde schon wissen, was gut für sie ist. Islamische Jungs gehören offenbar nicht dazu.

(RP)
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