Debatte um Armutsflüchtlinge bei "Maybrit Illner" "Duisburg lebt Integration seit Jahrzehnten"

Düsseldorf · Seit 2007 sind Rumänien und Bulgarien Mitglied der EU. Seither strömen immer mehr Südosteuropäer in NRW-Großstädte. Die Kommunen sind überfordert mit dem Ansturm. Bei "Maybrit Illner" im ZDF stand vor allem Duisburg im Mittelpunkt.

 Im ZDF wurde am Donnerstagabend über die steigende Zahl an Armutsflüchtlingen gesprochen.

Im ZDF wurde am Donnerstagabend über die steigende Zahl an Armutsflüchtlingen gesprochen.

Foto: Screenshot ZDF

6500 Bulgaren und Rumänen leben in Duisburg. Viele gehören der Minderheit der Sinti und Roma an, viele von ihnen haben sich im Stadtteil Untermeiderich niedergelassen. In der Ruhrgebiets-Metropole erhoffen sie sich ein besseres Leben, weit weg von Armut. Für einige Duisburger wird der Ansturm aber zunehmend zu einem ernsthaften Problem.

Grund genug für Maybrit Illner, die Debatte um Armutsflüchtlinge aufzugreifen und am Donnerstagabend über das Thema "Elend dort, Angst hier - kommen jetzt die Armen aus Osteuropa?" zu diskutieren.

"Leben ist nicht mehr schön"

Zu Gast waren Grünen-Politikerin Renate Künast, Markus Söder von der CSU, Heinz Buschkowsky (SPD, Bezirksbürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln), Dotschy Reinhardt (Jazz-Sängerin, deutsche Sinteza) und Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG).

Die sich verschlimmernde Situation in vielen deutschen Großstädten wurde am Beispiel Duisburg veranschaulicht. Sabine Keßler wohnt seit 13 Jahren auf der Bergstraße in Untermeiderich. Im ZDF berichtete sie, wie sich ihre Lebensverhältnisse im vergangenen Jahr verändert, ja "verschlechtert haben. Straßenzüge vermüllen. Die Menschen verrichten ihre Notdurft auf der Straße, in Parks, in den Büschen."

Ihre Wohnsituation sei seitdem "derart zum Wanken gebracht worden, dass das Leben nicht mehr schön ist." Müll, Lärm, kriminelle Machenschaften der im Stadtteil lebenden Sinti und Roma — Keßler kam zu dem Fazit: "Man hat nicht mehr das Gefühl nach Hause zu kommen."

"Sieht nicht nach Kaffeetrinken aus"

Täglich würden die Anwohner miterleben, wie Unmengen an Dieselkanister, Kabeln und Metall in die Häuser getragen werden. "40 bis 50 Männer treffen sich in den Wohnungen. Sie stellen sich im Kreis auf für anderthalb Stunden und dann verteilen sie Geld. Und das sieht nicht nach einem Kaffeetrinken aus."

Die Ursache des Problems liege ihrer Ansicht unter anderem nach bei der mangelnden Kommunikationsbereitschaft der Zugezogenen. "Wir haben den Kontakt gesucht, mit denen gesprochen. Doch die Kommunikation fruchtet nicht. Die reagieren einfach nicht", erzählte Keßler.

Wie gehe sie mit dem Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit um, der in Deutschland fast schon zwangsläufig aufkomme, fragte Illner die Duisburgerin? "Ich lebe mit Mazedoniern, Türken und Polen zusammen. Wir kommen bestens aus und trinken sogar Kaffee auf der Straße. Ich bin nicht fremdenfeindlich. Ich beurteile die Menschen nach dem Charakter."

Duisburger fühlen sich im Stich gelassen

Keßler, die eine Bürgerinitiative gegründet hat, kritisierte das fehlende Personal in Duisburg, das integrative Programme unterstützen könne. "Es fehlt auch an Polizeipräsenz. Die Kommunen schaffen das alleine nicht." Noch kurz vor der Sendung habe sie mit dem Duisburger Oberbürgermeister Sören Link gesprochen. "Er ist machtlos. Das Problem ist nicht von den Städten gemacht, sondern von der EU. Wir fühlen uns alleine gelassen."

Keßler bekam Unterstützung vom Chef der Polizeigewerkschaft Wendt, der die Mentalität und Aufnahmebereitschaft der Duisburger sehr gut einschätzen könne, da er schließlich selbst in Meiderich geboren ist. "Fremdenfeindlichkeit in Duisburg zu vermuten ist völlig daneben. Die Leute leben Integration seit Jahrzehnten."

Dennoch äußerte Wendt seine Sorge über die Zustände dort in den Stadtteilen. "Das ist bedrückend", erklärte er und fügte an. "Die Probleme, die wir jetzt haben in den Kommunen, die waren alle lange vorhersehbar. Das macht die Leute so wütend. Die Kommunen seien auf diesen Ansturm nicht vorbereitet."

Situation wird sich zuspitzen

Noch vor der Öffnung der EU hätte die Gemeinschaft stärker Druck auf die Länder Rumänien und Bulgarien ausuben müssen, um die Situation vor Ort zu verbessern, erklärte Wendt.

Nach Ansicht des NRW-Integrationsministers Guntram Schneider (SPD) wird sich die Situation in Zukunft noch verschlimmern. "Wenn nicht endlich gegengesteuert wird, spitzt sich die Situation nach dem 1. Januar 2014 zu", sagte er jüngst in einem Zeitungsinterview.

Der Hintergrund: 2014 endet die siebenjährige Übergangszeit, in der für Rumänen und Bulgaren der deutsche Arbeitsmarkt nur eingeschränkt zugänglich ist. Ab dann herrscht Freizügigkeit.

(nbe)
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