Gedenken an die "Kanzlergattin" Hannelore Kohl - die Disziplin in Person

Speyer · Zehn Jahre ist es her, dass sich die ehemalige Kanzlergattin Hannelore Kohl, von einer schweren allergischen Krankheit gedrückt und lebensüberdrüssig, selbst tötete. Am Dienstag fand in Speyer ein Gedenkgottesdienst für sie statt. Ein Erinnerungsabend mit den Söhnen – ohne den Witwer.

 Peter und Waslter Kohl am Grab ihrer Mutter in Ludwigshafen.

Peter und Waslter Kohl am Grab ihrer Mutter in Ludwigshafen.

Foto: dpa

Zehn Jahre ist es her, dass sich die ehemalige Kanzlergattin Hannelore Kohl, von einer schweren allergischen Krankheit gedrückt und lebensüberdrüssig, selbst tötete. Am Dienstag fand in Speyer ein Gedenkgottesdienst für sie statt. Ein Erinnerungsabend mit den Söhnen — ohne den Witwer.

"Tempora mutantur, nos et mutamur in illis — Die Zeiten ändern sich, und wir werden in ihnen geändert" — Welch ein Unterschied, welch ein Kontrast der Bilder: Am 11. Juli 2001, sechs Tage nach dem Freitod Hannelore Kohls, fand im Kaiserdom zu Speyer, den Hannelore und Helmut Kohl so geliebt haben, das Requiem für die Verstorbene statt.

Sie führte sechzehn Jahre lang den Zusatznamen "Kanzlergattin", und doch verkörperte sie so viel mehr als die blonde, disziplinierte, oft angestrengt lächelnde "Frau an seiner Seite". Der Witwer damals beim Verlassen des mit 1500 Trauergästen gefüllten Gotteshauses: 71-jährig, äußerlich noch kraftstrotzend, das Gesicht drückte Gefasstheit und zugleich Aufgewühltsein aus. Seine Söhne, Walter und Peter, selbstverständlich an der Seite ihres wie versteinert dastehenden Vaters.

Und Dienstagabend, beim Gedenkkonzert für Hannelore Kohl in der Dreifaltigkeitskirche von Speyer? 300 Gäste, darunter die Söhne, die zu ihrem Vater und dessen zweiter Frau Maike deutlich auf Distanz leben. Der seit 2008 wiederverheiratete Witwer fehlte. Er besuchte zum zehnten Todestag das Grab der Frau, mit der er 41 Jahre verheiratet war.

Ein anderer Blick auf ihr Leben

Er ist nicht mehr bei guten Kräften, zudem erzürnt über Treulosigkeiten seines Ältesten, innerlich bebend wegen zweier Bücher, die das Privatleben der Kohls nicht nur vornehm streifen, sondern — Klatsch bringt Quote — ans Licht zerren. Das ist Helmut Kohls Sicht der Dinge, eine Sichtweise, die auch von denen geteilt wird, die es für geschmacklos halten, die Leiden einer nur vordergründig zufriedenen Frau und deren grausame Vergewaltigung als Flüchtlings-Mädchen posthum zu verbreiten.

Helmut und Hannelore Kohls 1963 Erstgeborener, der am Dienstag die Hauptrede hielt, hat einen anderen Blick auf das Leben seiner Mutter, die sich am 5. Juli 2001 im Familienhaus in Ludwigshafen-Oggersheim mit Schlafmitteln das Leben nahm. Der älteste Sohn sieht das materiell gesicherte, aber seelisch belastete Leben der Ehefrau und Mutter nicht zuletzt vor dem Hintergrund seines eigenen Daseins als ein vom Erzeuger wenig beachteter Filius.

Das mächtige, jeglichen Druck aushaltende Familienoberhaupt hatte sich über vier Ehe-Jahrzehnte 16-Stunden-Arbeitstage auferlegt; er war selten zu Hause, kein moderner Daddy für die Gute-Nacht-Geschichte. Hannelore Kohl, die Mutter von Walter und dem zwei Jahre jüngeren Peter, hielt die Familie zusammen. Sie füllte, sicherlich im Sinne ihres privat und politisch dominanten Ehemannes, ihre Traditions-Rolle daheim aus, ohne die Pflichten als Kanzlergattin je vernachlässigt zu haben.

Mehrere Abschiedsbriefe gefasst

Noch in dem liebevoll formulierten Abschiedsbrief an ihren Ehemann — sie hatte mehrere davon verfasst, beispielsweise an ihre Söhne, an enge Freundinnen — schrieb sie bewundernd über seine nie erlahmende Tatkraft. Walter Kohl hatte vor zehn Jahren stundenlang am Bett der toten Mutter verharrt. Er machte das in seinem Bestseller öffentlich, dabei abschweifend in private Sphären, in eigene, letztlich überwundene Suizid-Gedanken. Er dachte sich wohl: Wie es drinnen aussieht, geht alle was an.

Für den psychisch extrem stabilen Helmut Kohl war das eine unverzeihliche Fehlhaltung, ja ein Verrat an der Familie und speziell der Mutter, die zeitlebens die Disziplin in Person, das Gegenteil einer weinerlichen Plaudertasche war. Die letzten Lebensjahre der Hannelore Kohl müssen einem Martyrium ähnlich gewesen sein.

Der katholische Geistliche Monsignore Ramstetter, der vor zehn Jahren das Requiem zelebriert hatte, sparte damals als enger Freund des Ehepaares Kohl nicht mit Schuldvorwürfen an die stets sprungbereiten Gegner des Paares: Die Kohls waren, jeder auf seine Art, stets unterschätzt und der hoffnungslosen Provinzialität geziehen worden. Ramstetter sprach: "Alle Unterstellungen, Verleumdungen und Hasserfahrungen wurden zu eurem gemeinsamen bitteren Leid." Man wird heute sagen können: Helmut Kohl, die "Machtmaschine" von einst, der "Ehrenbürger Europas", "der Kanzler der Einheit", wurde mit Anfeindungen ungleich besser fertig als seine Frau.

Engagement für hirnverletzte Unfallopfer

Sie hatte die Qual-Erfahrung im Mädchenalter zu verarbeiten. In ihrem eisern durchgehaltenen, heimlich verfluchten Pflichtprogramm als Kanzlergattin fügte sie sich sogar in den auf Geheiß des Gatten alljährlich wiederholten Sommerurlaub am Wolfgangsee. Es gab und gibt Küchen-Psychologen und ernst zu nehmende Seelenkundler, welche Ausbruch und schweren Verlauf der Lichtallergie bei Hannelore Kohl auf deren Verdrängungskunst zurückführen.

Dies war eine Fertigkeit, die tragische Züge hatte und letztlich in der Erkrankten den unumstößlichen Entschluss reifen ließ, 68-jährig aus dem nicht mehr als lebenswert empfundenen Leben zu scheiden. Was von der Verstorbenen, die vor zehn Jahren im Kohl'schen Familiengrab in Ludwigshafen-Friesenheim ihre letzte Ruhe fand, weit über den Gedenktag hinaus bleiben wird, ist das rührige und rührende Engagement zugunsten hirnverletzter Unfallopfer. Die ZNS-Stiftung, an deren Spitze nun ihre Söhne Walter und Peter stehen, trägt den Namen dieser tapferen Frau.

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