Imam bei Maischberger-Talk "Neue Brücken bauen, nicht neue Gräben ausheben”

Düsseldorf · Erstmalig ist bei Sandra Maischberger vor allem das Publikum – Gäste aus ganz Deutschland – zu Wort gekommen. Die Themen: Angst vor dem Islam und Moscheen, Schleier und Schweinefleisch, Toleranz und Verbote. In den Nebenrollen: Experten und Politiker.

Erstmalig ist bei Sandra Maischberger vor allem das Publikum — Gäste aus ganz Deutschland — zu Wort gekommen. Die Themen: Angst vor dem Islam und Moscheen, Schleier und Schweinefleisch, Toleranz und Verbote. In den Nebenrollen: Experten und Politiker.

Viele Menschen befürchten nach dem Wahlsieg von Donald Trump eine Zeitenwende. Nicht nur in den USA, sondern auch bei uns. Sind jetzt Werte wie Religionsfreiheit und Toleranz in Gefahr? Verschärft sich auch die Islamdebatte bei uns weiter? Dazu wollte Sandra Maischberger die Meinung von Menschen aus ganz Deutschland hören.

Wer diskutierte mit?

Gäste aus ganz Deutschland, darunter ein türkischstämmiger Lehrer und eine eingewanderte Griechin, ein junger Mann aus Kreuzberg und ein Krankenpfleger, eine BWL-Absolventin mit Kopftuch aus Mannheim.

Zu den bekannteren Gesichtern gehörten:

  • Ali Can, ehemaliger Asylbewerber, "Hotline für besorgte Bürger”
  • Prof. Susanne Schröter, Ethnologin und Islamexpertin
  • Aydan Özoguz, SPD, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung
  • Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär
  • Imam Husamuddin Meyer, Gefängnisseelsorger

Von Ängsten seiner Verwandten in den USA wegen Trumps Sieg sprach Hasnain Kazim vom "Spiegel". Özoguz und Scheuer stritten sich erneut darüber, wie die "Salafisten-Razzia” zu bewerten sei. Doch lange hielt sich Maischberger nicht damit auf. Sie wollte über Alltag und Zusammenleben sprechen — und zwar vor allem in einer offenen Diskussion mit dem Publikum. Dazu gratulierte ihr CSU-Mann Scheuer: "Glückwunsch zu diesem Format! Vor fünf oder sechs Jahren hätte so eine Sendung einfach nicht stattgefunden, weil es kein Thema war. Also muss ja in den letzten Jahren was passiert sein."

Wie können wir mit Moscheen leben?

Bekanntes Streitthema: Moscheen in deutschen Städten. Unter den Gästen saß auch Suleman Malik von der Erfurter Ahmadiyyah-Moschee und sagte: "Wir sind schon die dritte Generation in Thüringen. Das ist unsere Heimat.” Er fand: Integration und Gemeinsamkeit gelängen, wenn Christen Kirchen bauen können, Juden Synagogen, und Muslime Moscheen. Viele im Publikum fanden: Moscheen dürften nicht zu gigantisch sein, kein Statement sondern eher ein Ort der Begegnung.

Verschleierung verbieten?

Maischberger wollte wissen, wie sich der Islam aufs alltägliche Zusammenleben auswirkt und warf das wenig neue Thema der Verschleierung in die Runde: Passt der Schleier in unsere Gesellschaft? Sind Burka und Nikab Ausdruck der Selbstbestimmung der Frauen oder Unterdrückungswerkzeuge? Sollen wir sie verbieten oder nicht?

Viele Gäste waren der Meinung, zu einer offenen Gesellschaft passe einfach nicht, sein Gesicht zu verbergen. Mark David, ein junger Berliner fand allerdings, Schleier per Gesetz zu regeln sei kontraproduktiv, damit würde man die Frauen nur provozieren, dabei solle man eher mir ihnen reden, sie integrieren und ihnen helfen. Dem stimmte auch SPD-Politikerin Özoguz zu. "Damit würden wir die Frauen nur aus dem Straßenbild verbannen.”

Die Ethnologin und Islamexpertin Prof. Susanne Schröter erinnerte daran, dass Vollverschleierung im Islam keine Pflicht sei. Sie beobachte allerdings mehr und mehr vollverschleierte Frauen, die mit der Nikab eher ein politisches Statement abgeben würden. "Ich habe den Eindruck, der Schleier wird oft als Provokationsmittel benutzt.”

Eine BWL-Absolventin aus Mannheim, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch trägt, erzählte, wie schwierig es für sie sei, einen Job zu finden. Daran ist ihrer Ansicht nach auch die übertriebene Aufmerksamkeit der Medien schuld: In der Realität trügen überhaupt nicht so viele Frauen eine Kopfbedeckung, wie es in den Medien den Anschein hätte. "Das wird doch ziemlich aufgepuscht.” Eine griechisch-stämmige Frau, die seit 1966 in Deutschland lebte, fand: "Europa hat so viel für die Frauen und Gleichstellung erreicht”. Jetzt wieder Kopftücher aufzusetzen, käme ihr wie ein Rückschritt vor. Errungenschaften für Frauen nicht zerstören.

Wer soll sich wem anpassen?

Sollten wir das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen gesetzlich regeln oder nicht? Sollte sich die muslimische Minderheit der nicht-muslimischen Mehrheit anpassen oder umgekehrt? Wie verschiedene Religionen sich im alltäglichen Leben anfühlen, wurde im letzten Drittel der Sendung heiss diskutiert. Sind eigene Schwimmtage für gläubige Frauen okay? "Ja, unbedingt!” fand eine junge Frau im Publikum, denn wenn Musliminnen mit anderen deutschen Frauen zusammen im Schwimmbad seien, könne das ja auch integrieren.

Ein Monheimer erzählte, in einem Krankenhaus hätten die Patienten kein Schweinefleisch mehr bekommen, nachdem sich eine religiöse Familie beschwert hätte. Das ging ihm deutlich zu weit. Das gab Andreas Scheuer (CSU) Gelegenheit, über seinen Leitantrag zum "Politischen Islam” zu sprechen. "Wir zwingen ja niemanden, Schweinefleich zu essen”, so der Politiker aus Bayern. Aber wenn man anfinge über die Umbenennung von Weihnachtsmärkten zu reden sei das ebenso ein Unding, wie Schnitzel von der Speisekarte zu streichen.” Wer nach Deutschland käme müsse die Hausordnung beachten, und dazu gehöre auch, das manche Leute Schweinefleisch mögen.

Wie geht es versöhnlich?

Tülay Schmid, türkischstämmige Ehefrau des SPD-Politikers Nils Schmid, hatte das Schlusswort. Sie erzählte von der Taufe ihrer Tochter, die für sie ein wunderschönes Familienfest gewesen sei. "Wir haben vor allem mehr Feiertage”, lachte sie als sie zu ihrem Familienleben befragt wurde. Wir feiern Weihnachten, Ramadan und Opferfest.” Dann erinnerte sie daran, nicht zu pauschalisieren: "Es kommt immer am stärksten auf die Begegnung der Einzelnen an.”

Zitate des Abends

"Es darf nicht sein, das man als rechtsradikal abgestempelt wird, sobald man die Meinung äußert, dass man kein Minarett am Ortseingang haben möchte.” (Zuschauer aus Erfurt-Marbach)

"Wer hierher zu uns kommt, muss unsere Hausordnung beachten.” (Scheuer)

"Es ist wirklich schade, dass wir noch 2016 in einem offenen Land wie Deutschland über freie Religionsausübung reden müssen.” (junge Muslimin aus Mannheim)

"Wir müssen daran arbeiten, neue Brücken zueinander zu bauen, und nicht neue Gräben ausheben.” (Imam Meyer)

Das erste Mal

Maischbergers Experiment mit dem neuen Format ist gelungen. Die Diskussion zwischen Publikum und Experten war lebendig und respektvoll.

(jj)
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