Düsseldorf Mit dem Einhorn über den Regenbogen

Düsseldorf · Der Hype ums Fabeltier ist ungebrochen. Es steht für eine Märchenwelt, in die auch Erwachsene gerne fliehen. Denn so schlimm kann alles doch nicht sein, wenn man Einhorn-Pantoffeln an den Füßen hat.

Düsseldorf: Mit dem Einhorn über den Regenbogen
Foto: Zörner

In New York sehen alle derzeit nur noch Regenbogenfarben: Aus bunten Streuseln, Schlagsahne, Milch und Vanilleeis mixt das Café "New Territories" in der Lower East Side von Manhattan den neuen Kult-Milchshake "Unicorn Parade". Für den Einhorn-Look sorgen zudem eine lilafarbene, als Ube bekannte Paste aus pürierten Süßkartoffeln, eine regenbogenfarbene Marshmallow-Stange und Keks-Stäbchen, an deren Ende ebenfalls Marshmallows stecken. Umgerechnet rund elf Euro kostet die quietschbunte Kalorienbombe. Hinderlich ist das für den Erfolg nicht. Denn alles, wo ein Einhorn drauf ist, findet reißenden Absatz.

 Voll im Trend: Stephanie Engel aus Mettmann. Die 32-jährige Grafikdesignerin mit einem von ihr selbst erfundenen "Pummeleinhorn"-Stofftier.

Voll im Trend: Stephanie Engel aus Mettmann. Die 32-jährige Grafikdesignerin mit einem von ihr selbst erfundenen "Pummeleinhorn"-Stofftier.

Foto: Gottfried Evers

Der Shake, so sagt es der Café-Inhaber, ist zurzeit das meistgeorderte Getränk. Zuvor machte ein Café im Stadtteil Brooklyn Schlagzeilen mit einem Einhorn-Latte aus Cashew-Nüssen, Vanille, Ingwer, Zitronensaft, Datteln und etwas Algenpulver. Ein Becher des blau-bunten Getränks kostet im "The End" etwa 8,50 Euro. Die US-Medien feiern den Drink, der "heilend" sein soll, als "genauso schön wie magisch".

Woher kommt der Hype um das Fabelwesen? Im Internet ist das Einhorn schon seit Jahren ein Phänomen. Immer wieder taucht das weiße Pferd mit dem Horn an der Stirn auf. Meist als comic-hafte Darstellung mit rosa Mähne. Mitverantwortlich dafür - zumindest bei Mädchen - sind TV-Serien wie "Mia and Me" (Kika), in der die Elfe Mia mit Einhörnern Abenteuer erlebt, und Spielzeugserien wie die Filly-Figuren, von denen einige auch ein Horn haben. Der Hersteller bietet auch das komplette Partyset für den Einhorn-Kindergeburtstag an - 119 Teile, pinker Overkill inklusive.

Einhörner zieren Socken, T-Shirts oder Trinkbecher. Deko-Portale sammeln ihre Produkte unter Schlagwörtern wie "Einhorn-Manie", Süßes wird häufig in Regenbogenfarben gebacken und mit bunten Streuseln überschüttet. Frauen trösten sich mit Liebeskummer-Pillen, die "Einhorn-Pupse" heißen und zum Glück nur lila Marshmallows sind. Und es gibt Unicorn-Makeup, mit dem sich mit nur einem Strich ein Regenbogen auf die Lider zaubern lässt. In Supermärkten wird die Ankunft des Einhorn-"Happy End Likör" in den Geschmacksrichtungen Erdbeer-Sahne und Kokos-Sahne gefeiert. Nutzer, in der Regel Frauen, fragen emsig, wo sie ihn bekommen können. , Die Likörfreunde reichen gerne Adressen von Filialen weiter, damit möglichst viele in den Genuss des "erstklassigen Schmankerls am Ende des Regenbogens" (Werbung) kommen. Im vergangenen Jahr benötigte Ritter Sport nicht mal einen Tag, und schon waren 150.000 Schokoladen-Tafeln einer Einhorn-Edition verkauft. "Quadratisch, magisch, gut", hieß der Slogan.

Doch was macht das Fabeltier so faszinierend? "Das Einhorn ist schon ein ganz altes mythologisches Symbol, das nie aus dem Bewusstsein vollständig verschwunden ist", sagt Trendforscher Peter Wippermann. "Es steht für eine freundliche und optimistische Weltvorstellung, mit der sich die Realität wunderbar kompensieren lässt." Laut Wippermann kommt und geht das Einhorn deshalb in Wellen. "Es taucht immer auf, wenn die Gesellschaft besonders unruhig ist."

Werbeexperten schätzen das Phänomen ähnlich ein. "Einhörner stehen für alles, was selten ist. Sie sind grundsympathisch und leben im guten Feenwald", sagt Lars Cords, Partner bei der Werbeagentur Scholz & Friends. Ein Image, das sich gut für ein Produkt nutzen lässt. Vor allem in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft ohnehin nach heilen Fantasien und Fabelwelten sehnt, meint Cord. "Wenn es noch in einer limitierten Edition herauskommt, schließt sich der Kreis." Das Produkt selbst wird dann zum schwer auffindbaren Einhorn - und wird entsprechend begehrt.

Schwer zu finden ist zurzeit auch das "Pummeleinhorn", zumindest als Kissen und Plüschtier. Diese Produkte sind ausverkauft, Ende März wird es wieder das Stofftier, im Mai das Kissen samt Motiv geben. Stephanie Engel, Grafik-Designerin aus Mettmann, hat es vor etwas mehr als einem Jahr erfunden und vertreibt es seitdem mit ihrem Startup-Unternehmen in Goch. Das kräftige Wesen mit regenbogenfarbener Mähne hält einen braunen Schokoladenkeks in den Händen und ist immer mit selbstironisch-verfressenen Sprüchen versehen wie "Ich bin emotional sehr nah an der Keksdose gebaut" oder "Auf dem Boden der Tatsachen liegen eindeutig zu wenig Kekskrümel". "Die Sprüche spielen immer auf das Gewicht und seine Liebe zum Essen an", sagt Louisa Müskens, zuständig fürs Marketing. Der Großteil der Käufer ist weiblich. Und der Hype ums Pummeleinhorn geht weiter: Mittlerweile gibt es unter anderem Sammelfiguren, Frühstücksbrettchen und Schlüsselanhänger - kombiniert mit einem Spruch.

Einhörner stehen in der Mythologie für das Gute, das Unbezähmbare. Sie gefallen besonders Erwachsenen, die das Kind in sich bewahrt haben und sich nicht zu ernst nehmen. Die Tiere ermöglichen eine Realitätsflucht im Kleinen: So schlimm ist die Welt da draußen nicht, wenn man ein Einhorn an seiner Seite oder als Puschen an den Füßen hat. Ihre Welt kennt immer ein Happy-End, denn mit ein wenig Glitzer geht alles besser. Auch wenn man außerhalb mit beiden Beinen im Leben steht und sich dort keine Märchen vormachen lässt.

Wie lange sich das Einhorn hält, das Eule, Fuchs und Igel als Trendtiere abgelöst hat, ist nicht vorherzusagen. Als Nachfolger hat das Do-it-Yourself-Internetportal "DaWanda" Faul- und Meerestiere ausgemacht - zum Beispiel Quallen. Auf einen "Qualle-Latte" wird man sicherlich aber lange warten.

(RP)
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