Busfahrer aus Moers zusammengeschlagen "Mulmiges Gefühl vor jeder Busfahrt"

Moers · Der Moerser Busfahrer Bogdan Mainka ist im Bus von einem 18-Jährigen zusammengeschlagen worden. Der 49-Jährige Familienvater wollte einem Mädchen helfen. Er ist eine von vielen Respektspersonen, die Opfer eines Angriffs wurden.

 Bogdan Mainka (49) möchte sich nicht von vorne fotografieren lassen, weil er fürchtet, von seinem Peiniger wiedererkannt zu werden.

Bogdan Mainka (49) möchte sich nicht von vorne fotografieren lassen, weil er fürchtet, von seinem Peiniger wiedererkannt zu werden.

Foto: klaus dieker

Wie fast jeden Tag um die Uhrzeit war der Bus auch an diesem Nachmittag fast leer. Die meisten Fahrgäste verteilten sich auf den hinteren Sitzplätzen des Gelenkbusses der Linie 911, einer Verbindung zwischen Kamp-Lintfort und Duisburg. Kurz vor einer Haltestelle hörte Busfahrer Bogdan Mainka (49) plötzlich lautes Geschrei aus dem hinteren Teil des Busses. Er stoppte den Bus und eilte nach hinten. Einem Mädchen, 16 Jahre alt, strömte Blut aus der Nase. Sie weinte und schrie. Ihr Ex-Freund (18) hatte ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Der junge Mann wollte flüchten, Mainka hielt ihn fest. Der 18-Jährige schlug ihm mit dem Ellbogen ins Gesicht, in den Magen, in die Rippen. Ihm wurde schwindelig.

Bogdan Mainka geht dieser Tag im September 2012 nicht mehr aus dem Kopf. Es war der Tag, an dem der Moerser Familienvater ein junges Mädchen vor noch schlimmeren Verletzungen bewahrte, weil er mutig dazwischen ging, wo andere wegsahen. Und es war der Tag, der sein Leben verändern sollte. Denn seitdem, so sagt er heute, fahre bei jeder Busfahrt auch immer die Angst mit. "Dass es einen auch am helllichten Tag treffen könnte, hätte ich vorher niemals gedacht", sagt er. "Ich habe jetzt ein mulmiges Gefühl, wenn ich in den Bus steige."

Fast alle schauten weg

Damals lag er, ein Mann von 100 Kilogramm, röchelnd am Boden. Ein anderer Fahrgast war ihm zur Hilfe gekommen. Mit schweren Prellungen klammerte sich Bogdan Mainka nach dem Angriff an einer Stange fest, an der sich sonst die Insassen während der Fahrt festhalten. Den 18-Jährigen ließen sie laufen, weil Zeugen im Bus gerufen hatten, dass sie wüssten, wer der Schläger sei und auch, wo er wohne. Es waren dieselben Zeugen, die zuvor tatenlos zu- oder weggesehen hatten, wie erst das junge Mädchen, dann der Familienvater zusammengeschlagen wurden. Mainka wirft ihnen das nicht vor, weil er sie verstehen kann, die Weggucker, die, die nicht einschreiten, weil sie Angst haben, selbst zum Opfer zu werden, wenn sie helfen. "Sie haben halt Angst um ihr Leben. Das ist menschlich."

Andreas Meuskens, Betriebsleiter der Niederrheinischen Verkehrsbetriebe Aktiengesellschaft, kurz Niag, für die Mainka fährt, ging mit dem Vorfall sofort an die Öffentlichkeit, um auf die zunehmende Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen aufmerksam zu machen. Das sei ein gesellschaftliches Problem, das von Jahr zu Jahr größer werde, betonte er. Die Polizeigewerkschaften bestätigen diesen Trend. Mainka sieht den Grund für diese Entwicklung in der Erziehung. "Viele Eltern lassen ihren Kindern viel zu viel durchgehen. Sie zeigen ihnen nicht mehr Grenzen auf, sondern bestärken sie noch in ihrem Fehlverhalten."

Sicherheitspersonal bei der DVG

In Duisburg setzt die Verkehrsgesellschaft (DVG) gegen die Gewalt in ihren Bussen und Bahnen seit zwei Jahren Sicherheitspersonal ein, um Fahrer und Fahrgäste besser vor Übergriffen zu schützen. Besonders an Wochenenden, nachts, wenn viele Betrunkene unterwegs sind, und bei Linien, die durch soziale Brennpunkte führen, fährt Security mit.

Mainkas Kollegen und Vorgesetzte überschütteten ihn für sein selbstloses Verhalten mit Lob, er bekam Briefe von wildfremden Menschen, die ihm dankten. Für seine mutige Tat erhielt er vom Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) und dem Sicherheitsunternehmen Kötter den Ehrentitel "muTiger Botschafter" verliehen. Eine Auszeichnung für Menschen mit Zivilcourage. Er wurde landesweit als Held gefeiert, der er aber nicht sein will, weil es seiner Meinung nach nichts Besonderes gewesen sei, dem Mädchen zu helfen. Gut zwei Wochen nach der Attacke saß Maika bereits wieder hinterm Lenkrad — mit Schmerztabletten, die er wegen seiner Rippenverletzungen nehmen musste.

Er fuhr dieselbe Linie 911 von Kamp- Lintfort bis Duisburg-Ruhrort. Das sei die beste Medizin gewesen, sagt er sieben Monate später. "So konnte ich meinen Ängsten am besten begegnen." Dennoch ist sie bis heute nicht ganz gewichen, die Sorge, dass sein Peiniger wieder zu ihm in den Bus steigen könnte. Er möchte nicht, dass sein Gesicht fotografiert wird. Der Schläger soll ihn nicht wiedererkennen können. Er fürchtet nicht nur um seine Sicherheit, sondern vor allem um die seiner Familie. Was aus dem 18-Jährigen geworden ist, der ihn zusammenschlug, weiß er nicht. Das interessiert ihn auch nicht. Die Polizei bewertete den Fall als "ganz normalen Beziehungsstreit". Das Mädchen bedankte sich nicht bei Mainka.

(RP)
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