Terroranschlag in Berlin Alle Fakten, alle offenen Fragen

Düsseldorf · Auf den Weihnachtsmarkt in Berlin ist ein Terroranschlag verübt worden. Zwölf Menschen starben, zahlreiche weitere wurden verletzt. Wir haben die bisherigen Erkenntnisse zusammengefasst.

Was wir wissen: Gegen 20 Uhr am Montagabend raste ein schwarzer Lkw über eine Strecke von 60 bis 80 Metern über den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin. Zwölf Menschen starben. Fast 50 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Eines der in die Berliner Charite eingelieferten Anschlags-Opfer ist weiterhin in einem kritischen Zustand. Bei anderen drei sehr schwer verletzten Besuchern des Weihnachtsmarktes hat sich der Zustand stabilisiert. Insgesamt sind 13 Patienten aufgenommen worden, acht davon schwer verletzt. Zwei sind auf der Intensivstation gestorben. Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe hat das Bundeskriminalamt (BKA) mit den Ermittlungen beauftragt. Bei sechs Todesopfern handelt es sich um Deutsche. Die Leiche des polnischen LKW-Fahrers, der auf dem Beifahrersitz saß wurde ebenfalls identifiziert.

Kurz nach der Attacke wurde in der Nähe der Siegessäule ein Mann als mutmaßlicher Fahrer festgenommen. Im Laufe des Dienstags wuchsen die Zweifel an seiner Täterschaft; am Abend wurde er freigelassen. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse hätten keinen dringenden Tatverdacht gegen ihn ergeben, hieß es. Deshalb wurde kein Haftbefehl erlassen. Insbesondere hatten die Untersuchungen keinen Beleg dafür erbracht, dass der Mann im Führerhaus des Lkw gewesen sei. Augenzeugen hatten den Fahrer nach dem Anschlag nicht lückenlos verfolgt.

Der Täter hat offenbar auch den ursprünglichen Fahrer des Lkw aus Polen erschossen. Dieser sei seit etwa 16 Uhr am Montag nicht mehr zu erreichen gewesen, erklärte die Spedition. Der Lastwagen hatte Stahlkonstruktionen aus Italien nach Berlin transportiert. Wegen einer Verzögerung habe der Fahrer bis zum Dienstag warten müssen und den Lastwagen in Berlin geparkt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin, es müsse von einem terroristischen Anschlag ausgegangen werden. Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière besteht "kein Zweifel" mehr, dass es sich um einen Anschlag handelt. "Wir haben es mit einem brutalen Attentat zu tun."

Berlin trauert um die Opfer des Anschlags 2016 am Breitscheidplatz
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Berlin trauert um die Opfer des Anschlags

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Am Dienstagabend bekannte sich der sogenannte Islamische Staat (IS) zu dem Anschlag. Das IS-Sprachrohr "Amak" meldete im Internet, einer ihrer "Soldaten" sei für den Angriff verantwortlich. Eine solche Selbstbezichtigung war bei der Terrormiliz allerdings zuletzt zum Automatismus geworden.

Am Mittwochvormittag wurde bekannt, dass der Täter unter dem Fahrersitz Ausweispapiere hinterlassen hat. Diesen Papieren zufolge handelt es sich um einen Tunesier mit Duldungserlaubnis. Die betreffenden Papiere sind im Kreis Kleve ausgestellt worden. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich demnach um Anis Amri. Er ist 24 Jahre alt und stammt aus Tunesien. Der Mann ist wegen Körperverletzung vorbestraft und hat zwölf Alias-Namen benutzt. Er ist zur öffentlichen Fahndung ausgeschrieben.

Amri ist den deutschen Sicherheitsbehörden spätestens seit November bekannt gewesen. Er sei damals Thema in einer Sitzung des gemeinsamen Terrorabwehrzentrums von Bund und Ländern gewesen, schreibt die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Sicherheitskreise in Berlin. Wie NRW-Innenminister Ralf Jäger bestätigte, sollte Amri im Sommer 2016 abgeschoben werden. 2015 war er über Freiburg nach Deutschland eingereist. Das sei allerdings nicht möglich gewesen, weil keine Ausweispapiere vorlagen. Ersatzpapiere habe man im August in Tunesien angefordert. Diese seien am Mittwoch eingetroffen.

Ermittlerangaben zufolge unterhielt Amri enge Kontakte zu einem islamistischen Terrornetzwerk mit Basis im niederrheinischen Kreis Viersen: Eine als hoch gefährlich eingestufte Organisation um den 32-jährigen Iraker Ahmad Abdulaziz Abdullah A., besser bekannt unter dem Namen "Abu Walaa".

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Walaa gilt als die Nummer Eins des Islamismus in Deutschland und lebte mit seiner Familie in Tönisvorst. Er wurde am 8. November 2016 in der Nähe von Hildesheim festgenommen. Zeitgleich wurden auch vier Komplizen festgesetzt. "Sein Ziel war es, Kämpfer an den Islamischen Staat (IS) in Syrien zu vermitteln und deren Ausreise zu organisieren", heißt es in den Akten der Landesrgierung. Und weiter: "Der Iraker predigte hauptsächlich im Deutschen Islamkreis in Hildesheim (DIK) und rekrutierte junge Muslime für den Dschihad."

Anis Amri wohnte offenbar zeitweise bei dem Dortmunder Boban S., der im November gemeinsam mit Abu Walaa festgenommen wurde. Auch S. wird vorgeworfen, für den bewaffneten Dschihad geworben und sich zum IS bekannt zu haben. Das Terrornetzwerk hatte mindestens einen jungen Mann in den Terrorstaat des IS geschleust. Der Verfassungsschutz wertet die fünf damals Festgenommenen als so genannte Radikalisierer: Extremisten, die vor allem junge Leute mit einer pseudo-religiösen Ansprache für den radikalen Islamismus gewinnen wollen. Davon gibt es in NRW knapp 30. Sie stehen unter besonders enger Beobachtung.

Was wir nicht wissen: Die Ermittler wissen noch nicht, wer der oder die Täter sind. Der direkt nach der Tat als mutmaßlicher Fahrer des Lastwagens festgenommene Mann wurde am Dienstagabend freigelassen. Nach dem tatsächlichen Täter wird mit Hochdruck gefahndet. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagte, der Verdächtige sei nicht zwingend der Täter.

Ob es Hintermänner gibt oder tatsächlich eine Terrororganisation wie der IS hinter dem Anschlag steckt, ist trotz des Bekenner-Videos des IS unklar. Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt betonte, es sei "nicht zwingend notwendig", dass an dem Anschlag mehr als eine Person beteiligt war. Die Tat sei logistisch "nicht so anspruchsvoll" gewesen.

Unklar ist allerdings nach vie vor, wann und wie der Täter den Lastwagenfahrer überwältigte und tötete und dessen Fahrzeug stahl.

(crwo/stk/dpa/afp/ap)
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