Wien Natascha Kampusch – das unbeliebte Opfer

Wien · Sie spricht leise, vor ihren Antworten zögert sie, und sie senkt oft den Blick: Natascha Kampusch berichtete in Günther Jauchs Talkshow, wie sie die achteinhalb Jahre in der Gewalt eines Entführers überlebt hat. Immer wieder schießen ihr Tränen in die Augen – vor allem, als ihr der Moderator Hass-Postings aus dem Online-Forum einer österreichischen Boulevardzeitung vorliest. "Das macht mich betroffen, sprachlos und sehr traurig." Sie fühle sich häufig angefeindet, da ihre Berichte über das Martyrium bisweilen angezweifelt werden. "Für mich ist das sehr schwer zu ertragen, weil ich fast dazu gedrängt werde, ins Ausland zu gehen oder mich umzubringen", sagte sie in einem Interview dem "Spiegel".

Im Alter von zehn Jahren war das Mädchen entführt worden, der Täter hatte in seinem Haus ein Verlies gebaut. Nach achteinhalb Jahren gelang Kampusch die Flucht, der Täter nahm sich das Leben. Viele Menschen verstehen nicht, dass sie nicht früher entkommen konnte: Schließlich nahm er sie mit zum Skifahren. "Es war ein inneres Gefängnis, das es mir unmöglich gemacht hat, mich zu befreien", sagt sie.

Anders als anderen Opfern von Gewalttaten schlägt Kampusch viel Ablehnung entgegen – auch weil sie früh die Öffentlichkeit suchte. Sie hätte ihren Peiniger gern vor Gericht gesehen. "Dann wäre klar gewesen, dass ich das Opfer bin. Jetzt wird es so gesehen, als hätte ich dem Täter etwas angetan. Damit muss ich leben." Experten zufolge steckt hinter der Kritik auch Neid auf Kampuschs Medienpräsenz und Geld, das sie etwa mit der Autobiografie verdient. Am 28. Februar kommt auch der Film "3096 Tage" ins Kino. Er wird als letztes Tabu den Missbrauch thematisieren, über den Kampusch nie sprechen wollte. Das sei der letzte Rest ihrer Privatsphäre.

(RP)
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