Hamburg NDR-Mitarbeiter kritisierten massiv ESC-Nominierung von Naidoo

Hamburg · Nicht öffentlicher Druck, sondern massive interne Kritik soll den Norddeutschen Rundfunk (NDR) bewogen haben, die Nominierung von Xavier Naidoo für den Eurovision Song Contest (ESC) zurückzuziehen. Gestern wurde bekannt, dass rund 40 Mitarbeiter des NDR, darunter auch leitende Angestellte, vergangene Woche einen "Brandbrief" an die Senderleitung geschrieben haben. Darin soll es heißen, dass die Mitarbeiter die Entscheidung für Naidoo mit Unverständnis und Fassungslosigkeit aufgenommen hätten. Mit der Wahl werde das Ansehen der ARD und damit die Arbeit von allen nachhaltig beschädigt. Daraufhin habe, teilte der NDR gestern mit, "der Fernsehdirektor noch am vergangenen Freitag zu einer Diskussionsrunde geladen, in der in Anwesenheit des Unterhaltungschefs die Argumente für und gegen die Entscheidung ausgetauscht wurden". Das Ergebnis ist bekannt: Naidoo war wieder raus.

Ganze zwei Tage währte das Sender-Votum für den Sänger. Am vergangenen Donnerstag hatte der NDR Naidoo zunächst als alleinigen Kandidaten für den europäischen Sängerwettstreit nominiert. Das löste sofort eine breite Welle der Empörung aus. Kritikpunkte: Naidoo liebäugelt in seinen Liedtexten sowie bei öffentlichen Auftritten mit Antisemitismus, Homophobie und Verschwörungstheorien. So sprach er etwa in Berlin am Tag der Deutschen Einheit 2014 bei einer Veranstaltung der Reichsbürger. Diese rechtspopulistische Vereinigung erkennt die Bundesrepublik als Staat nicht an und fühlt sich dementsprechend nicht deren Statuten verpflichtet. Maßgeblich für Reichsbürger sind die Grenzen von 1937, die Regierung ist in ihren Augen nur eine kommissarische, von den USA gesteuerte. Viele Reichsbürger zahlen keine Steuern und stellen sich eigene Ausweise aus - da ja für sie kein juristisch legaler Staat existiert. Politiker fordern immer wieder, dass der Verfassungsschutz die Gruppierung schärfer beobachten müsse, weil ihr eine gefährliche Nähe zu rechtsextremen Organisationen nachgesagt wird.

Naidoo ("Dieser Weg") will davon nichts wissen, bei den Reichsbürgern sei er nur aufgetaucht, um sich zu informieren. "Mit meinem ganzen Wesen stehe ich für ein weltoffenes und gastfreundliches Deutschland und einen respektvollen sowie friedlichen Umgang miteinander", erklärte der 44-Jährige zu der Kritik an seiner Person. Dem "Stern" sagte er aber unlängst im Interview, dass er Deutschland für kein freies Land halte, weil es geheime Abkommen mit den USA gebe.

Freiwillig soll Naidoo dann auch nicht das ESC-Feld geräumt haben, berichtet die "Bild"-Zeitung. Der NDR habe den Sänger über dessen Management informiert, dass man die Nominierung zurückziehen wolle und dies am Samstagmittag bekanntgeben werde, teilte der Sender mit. Naidoo hätte also die Chance gehabt, selbst zu verzichten - und dabei einiges klarzustellen.

(RP)
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