Netflix-Serie "Iron Fist" Held verzweifelt gesucht

Düsseldorf · Mit "Iron Fist" zeigt Netflix die bereits vierte Marvel-Serie. Die ist noch nicht einmal schlecht, leidet aber unter dem langweiligen Superhelden Danny Rand.

 Finn Jones als Danny "Iron Fist" Rand übernimmt die Hauptrolle als Superheld.

Finn Jones als Danny "Iron Fist" Rand übernimmt die Hauptrolle als Superheld.

Foto: Myles Aronowitz/Netflix

Barfuß mit der Aura eines Obdachlosen und der Unschuld eines Kindes spaziert er durch New York: So begegnen wir zum ersten Mal Danny Rand (Finn Jones), der vor 15 Jahren bei einem Flugzeugabsturz mit seinem Eltern im Himalaja verschwand. Damals war er zehn Jahre alt. Nun, mit 25 Jahren, kehrt er zurück.

Und leider ist mit der Eröffnungssequenz auch schon fast alles über Danny Rand gesagt: Ein Mann, der niemals erwachsen geworden ist — sondern immer noch ein Kind ist, das nun aber die Macht der mystischen "Iron Fist" in sich trägt: Er kann sein Chi, seine Lebensenergie, in seiner Faust bündeln, die dann mit unglaublicher Macht zuschlägt oder einer Kugel widerstehen kann.

Anfangs hat es noch einen gewissen Charme, zu sehen, wie Danny Rand sich naiv, unschuldig und voller Güte durch die Großstadt und Geschäftswelt bewegt. Nachdem er 15 Jahre lang von Mönchen der himmlischen Stadt K'un-L'un zum Kung-Fu-Kämpfer ausgebildet worden ist. Aber schon zu Beginn zeigt sich auch, dass er wie ein verzogenes Kind recht verantwortungslos ist. Er bricht in sein altes Haus ein, stalkt eine alte Freundin, entführt einen alten Freund — und denkt sich kaum etwas dabei. Und dann wieder lässt er Weisheiten wie ein 100 Jahre alter Mönch fallen. Das wirkt wenig überzeugend.

Nach vier, fünf Folgen hat sich der jungenhafte Charme dann auch ausgereizt. Der Superheld "Iron Fist", der einfach losstürmt, kaum nachdenkt und sich störrisch wie ein Kleinkind verhält, fängt an, auf die Nerven zu gehen und zu langweilen. Finn Jones (Loray Tyrell aus Games of Thrones) müht sich zwar redlich, seinem eindimensionalen Charakter Leben einzuhauchen. Aber wo keine Tiefe ist, kann man auch nichts ausloten.

Weil die Hauptfigur selbst nur wenig bietet, was ihn interessant macht, tobt man sich bei den Nebenfiguren und ihren Geschichten aus. Denn hinter der Superhelden-Fassade steckt eine durchaus unterhaltsame, spannende Serie mit interessanten Charakteren:Die Meachum-Geschwister Ward (Tom Pelphrey) und Joy (Jessica Stroup) sind mit Danny aufgewachsen. Nun leiten sie das milliardenschwere Unternehmen, das Dannys Vater gegründet hat.

Hinter der Fassade des überheblichen, arroganten, berechnenden Ward mit Gel-Frisur steckt ein komplexer, getriebener und verletzlicher Charakter, der am Ende sympathischer wirkt als die Hauptfigur. Und Jessica Stroup spielt überzeugend eine Geschäftsfrau, die nach außen souverän erscheint. Innerlich aber ist sie hin- und hergerissen ist zwischen ihrer Freundschaft zu Danny, der Liebe zu ihrem Bruder, der Trauer um ihren vermeintlich verstorbenen Vater und der Verantwortung als Firmenlenkerin.

Beide sind faszinierender als die Hauptfigur ebenso wie Jessica Henwick als Iron Fists Gefährtin Colleen Wing. Ihre leidenschaftliche, intensive Darstellung stiehlt Finn Jones regelmäßig die Show. Und David Wenham (Faramir aus der Herr-der-Ringe-Trilogie) startet als ein eiskalter, manipulierender Unternehmenspate und entpuppt sich dann zunehmend als Sozio- und Psychopath. Nicht nur wird seine Wandlung überzeugend in dem Serienuniversum aufgebaut: Er hat auch die unheimlichsten Momente, wenn seine Aggression plötzlich ausbricht.

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Foto: Screenshot: Youtube (Netflix)

Mit so vielen starken Nebenfiguren könnte Iron Fist nur bestehen, wenn der Superheld selbst komplex und faszinierend wäre. Das ist sie aber nicht. Selbst seine eher spärlichen Kampfszenen wirken etwas steif, wenig beeindruckend und wie bereits 100-mal gesehen. Das fällt vor allem dann auf, wenn Jessica Henwick ihre Fäuste und Schwerter wirbeln lässt. Bei ihr wirkt die Kampfchoreografie sehr viel dynamischer, explosiver und natürlicher.

"Iron Fist" leidet zwar unter dem lahmen Hauptcharakter, dafür baut sie aber auch eine Brücke — zu der bald folgenden Serie "Defenders", in der alle Marvel-Netflix-Helden zusammen auftreten werden: Daredevil, Jessica Jones, Luke Cage und eben auch Danny Rand. In "Iron Fist" ist die mysteriöse, seit Jahrhunderten existierende Verbrechensorganisation "Die Hand" der eigentliche Bösewicht, nachdem sie in der zweiten Daredevil-Staffel bereits ihre geheimnisvollen Ziele verfolgte. Und sehr wahrscheinlich wird die "Hand" auch bei den Defenders eine tragende Rolle spielen.

(jov)
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