London Neue Hoffnung für Charlies Eltern

London · Im Kampf um eine neue Therapie für das britische Baby wurden Experten gestern vor Gericht angehört.

London: Neue Hoffnung für Charlies Eltern
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Der Kampf um Charlie Gard geht weiter. Jetzt liegt das Schicksal des elf Monate alten Babys in der Hand von Nicholas Francis, Richter am High Court in London. Richter Francis hörte gestern neue Argumente, ob der an einer seltenen Erbkrankheit leidende Charlie zu einer experimentellen Behandlung in die USA ausgeflogen werden kann, wie es seine Eltern wollen und wie es seine Ärzte bislang verweigert haben. Überraschenderweise hatte das "Great Ormond Street Hospital" (GOSH), in dem Charlie behandelt wird, selbst am Freitag das Gericht angerufen, sich mit dem Fall erneut zu befassen: Es gäbe neue Erkenntnisse, nach denen die experimentelle Behandlung Erfolg haben könnte.

London: Neue Hoffnung für Charlies Eltern
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Bei dem gestrigen Gerichtstermin kochten die Emotionen hoch. Charlies Mutter weinte vor Frust, sein Vater schrie einen Anwalt an. Der Richter entschied, dass die Eltern des Jungen die Möglichkeit bekämen, bis morgen Nachmittag neue Beweismittel dafür vorzulegen, warum ihr Sohn eine experimentelle Behandlung erhalten solle. Für Donnerstag setzte er eine weitere Anhörung an.

Schon längst ist der Fall zu einer weltweiten Causa geworden. US-Präsident Donald Trump schaltete sich ein, und bot per Twitter seine Hilfe an. Papst Franziskus ließ verlauten, dass er für den Jungen und seine Eltern beten würde. Der italienische Außenminister rief bei seinem englischen Amtskollegen an und fragte, warum Charlie denn nicht im römischen Krankenhaus Bambino Gesù behandelt werden könnte. Eine Demonstration zog am Sonntag vor dem Londoner Hospital auf und lieferte eine Petition ab, in der 350.000 Unterzeichner die Ärzte auffordern, Charlie die Reise nach Amerika zu gestatten.

Der kleine Junge leidet an dem äußerst seltenen mitochrondrialen DNA-Depletionssyndrom (MDDS), das weltweit bisher nur bei 15 weiteren Kleinkindern diagnostiziert wurde. Es ist eine Erkrankung der Mitochondrien, der Kraftzellen des Körpers, die als unheilbar gilt. Bei Charlie hat sie zu schweren Gehirnschäden geführt. Er kann nicht sehen, nicht hören, nicht schlucken und muss künstlich beatmet werden. Er kann weder seine Arme noch Beine bewegen. Aber er lebt. Er wächst und kann seine Augen öffnen.

Wenige Monate nach der Diagnose dachten auch Charlies Ärzte, dass eine Nukleosid-Therapie in den USA ihm helfen könnte. Dann änderten sie ihre Meinung: Der Hirnschaden sei zu groß, die Aussichten auf eine Heilung oder nur Linderung wären nicht gegeben. Sie konnten drei Gerichte in Großbritannien, den High Court, das Appellationsgericht und den Supreme Court, davon überzeugen, dass eine experimentelle Therapie lediglich zu weiterem Leiden für Charlie führen werde und dass das Ausmaß der Hirnschäden bedeute, "dass die Lebensqualität, die Charlie zur Zeit hat, es nicht wert ist, aufrecht erhalten zu werden", hieß es im Urteil. Daher läge es im besten Interesse des Kindes, wenn die Behandlung abgebrochen wird.

Die Eltern wollten nicht aufgeben. Sie zogen vor den Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte und unterlagen auch dort. Doch sie bekamen Unterstützung von Ärzten des römischen Hospitals Bambino Gesù. Dort haben bisher unpublizierte Forschungen ergeben, dass eine Nukleosid-Therapie womöglich klinische Fortschritte erlauben würden. Man schrieb an die Ärzte des GOSH, die weiterhin skeptisch sind, aber eine letzte Entscheidung des Gerichts beantragten. Richter Nicholas Francis muss jetzt abwägen, was wirklich im besten Interesse von Charlie liegt.

(RP)
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