Belastende Erkenntnisse verschwiegen? Neue schwere Vorwürfe gegen Roskilde-Festival und Polizei

Kopenhagen (dpa). Nach dem Tod von neun jungen Männern beim Roskilde-Festival im vergangenen Sommer erheben Hinterbliebene neue, schwere Vorwürfe gegen Festivalleitung und Polizei. In der Dienstagausgabe der Kopenhagener Zeitung "Politiken" erklärte der Däne Finn Tonnessen, Vater von einem der Todesopfer, dass die Polizei in ihrem offiziellen Bericht über das Unglück zentrale und für die Festivalleitung belastende Erkenntnisse verschwiegen habe. Zusammen mit anderen Hinterbliebenen verlangt Tonnessen vom dänischen Justizminister Frank Jensen eine unabhängige Untersuchung.

Die neun Opfer, zu denen auch ein junger Hamburger Polizist gehörte, waren während eines Konzertes der Gruppe Peal Jam von der nach vorn drängenden Menge direkt vor der Bühne erdrückt worden. Im offiziellen Polizeibericht hieß es, dass das "wilde Verhalten" von Teilen des Publikums ausschlaggebend für das Unglück gewesen sei. Tonnessen erklärte, eine von ihm eingesehene interne Polizeiauswertung von Zeugenaussagen habe ein völlig anderes Bild ergeben.

Danach soll die erst mehr als 15 Minuten nach Beginn der Tumulte getroffene Entscheidung zum Abbruch der Musik nicht von der Festivalleitung, sondern vom Pearl-Jam-Management gekommen sein. Wie es weiter hieß, habe Festivalchef Leif Skov die Band etwas später sogar aufgefordert, weiterzuspielen. Unter den für die Sicherheit zuständigen Festivalmitarbeitern habe es laut Zeugenaussagen unklare Kompetenzverteilungen gegeben. Ermittlungen hätten weiter ergeben, dass der Bühnenchef fünfeinhalb Minuten während der kritischen Zeit zur Einleitung von Hilfsmaßnahmen ein Handy-Gespräch nach Frankreich geführt habe.

Tonnessen, der seinen 17-jährigen Sohn bei dem Unglück verlor, äußerte sich empört darüber, dass die Polizei diese und andere wichtige Erkenntnisse in ihrem öffentlichen Untersuchungsbericht verschwiegen habe. Nach seinem Eindruck sei es offensichtlich, dass Polizei und Festivalleitung einander bei der Frage nach den Ursachen für das Unglück von jeder Verantwortung freisprechen würden, meinte der Konrektor einer Schule in Varde. Er wolle die Festivalleitung verklagen, nicht um Geld zu bekommen, sondern um die Verantwortlichkeit zu klären. Polizeisprecher in Roskilde und Festivalchef Skov wiesen alle Vorwürfe zurück.

(RPO Archiv)
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