Neuss Neusser Schützen: Coole Jungs, cooles Fest

Neuss · Am Wochenende feiern die Neusser ihr Schützenfest. Viele Junge können es kaum erwarten, mitzumarschieren.

Neuss: Schützen-Blogger bei der Uniformanprobe
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Foto: Berns, Lothar

Es ist für einen Schützen eine Bilderbuch-Karriere: Mit zwölf Jahren marschiert er in einer Nachwuchsgruppe erstmals mit, als 18-Jähriger gründete er seinen eigenen Zug, und im Alter von 27 Jahren steigt er zum Adjutanten und somit zum Vize-Chef von mehr als 600 Gilde-Schützen auf: Sascha Karbowiak ist in zweifacher Hinsicht ein Beleg für die These, dass in Neuss ein junges Schützenfest gefeiert wird. Erstens können es Neusser Jungs offenbar kaum abwarten, bis sie alt genug sind, um beim Schützenfest mitzumachen. Zweitens müssen sich junge Schützen nicht erst einmal hinten anstellen, ehe ihnen Verantwortung übertragen wird.

Am Wochenende ist es wieder soweit, dann steigt in Neuss das größte Schützenfest im Rheinland. 7653 Schützen und Musiker - so viele wie noch nie seit der Gründung im Jahr 1823 - verwandeln die 150 000-Einwohner-Stadt in ein Königreich für vier Tage. Los geht's Samstag (20.45 Uhr) mit dem Fackelzug, zu dem nach Schätzungen der Polizei bis zu 150 000 Zuschauer erwartet werden. Bei den anschließenden Partys auf den Straßen bestimmen ebenso junge Menschen das Geschehen wie in den Tagen darauf im Festzelt oder den Ballsälen. "Wir sind ein alter Verein mit unglaublich jungen Mitgliedern", sagt Oberst Heiner Sandmann. "Damit wir zukunftsfähig bleiben, müssen wir alten Säcke den Weg für die Jungen frei machen." Darum hört er mit 62 Jahren als Regimentschef auf, ehe er das Rentenalter erreicht hat.

Dem Fackelzug fiebern auch die Zugmitglieder von "Zügellos" entgegen. Zwar sind die knapp 20 jungen Männer, alle zwischen 18 und 21 Jahren jung, bereits zum dritten Mal dabei, doch erstmals haben sie für den Umzug am Samstagabend einen Wagen mit einer Großfackel gebaut. Als Lohn der Last erhofft sich Oberleutnant Patrick Beckmann (19) den Beifall der Zuschauer. "Schützenfest bedeutet nicht nur saufen", sagt Sebastian Finken (19). Zwar freue sich der ganze Zug auf "vier Tage geile Party", er habe aber auch große Freude beim Fackelbau.

Auch Tobias Jung (19) gehört zu "Zügellos". Er stammt aus einer alten Schützenfamilie und sehnte das Jahr herbei, in dem er in einen Zug eintreten konnte. Die Wartezeit überbrückte er in der Jugendgruppe der Grenadiere. Dreimal war er Fähnrich, doch als er endlich 18 war, gründete er mit seinem Freund Felix Mausberg und weiteren Schulkameraden "Zügellos". In dem Zug ist er als Spieß nun für Disziplin zuständig. Wer gegen die Ordnung verstößt, muss zahlen. Bierverschütten kostet zwei Euro.

Mögen die Schützen andernorts über Nachwuchsmangel klagen, in Neuss eilen die jungen Männer ins Regiment. Die "Schützenlust", mit 1626 Mann das größte der zehn Neusser Korps, ist im Durchschnitt 34 Jahre alt. Viele machen es so wie die Jungs von "Zügellos". Wenn ihnen mit dem Abschlusszeugnis in der Tasche bewusst wird, dass sich die Klassengemeinschaft nun aufzulösen droht, gründen sie einen Schützenzug. So wollen sie sicherstellen, dass sie sich zumindest einmal im Jahr sehen. Wo bleiben die Mädels? "Die finden Schützenfest auch toll", sagt Tim Müller (19), "die feiern als Groupies mit." "Das Schützenfest ist ein überdimensionales Klassentreffen", sagt Thomas Schommers (42). Er ist Zugführer der "Nüss Globetrotters"; vor allem ist er aber Vater des Edelknabenkönigs. Sohn Benjamin (11), höchster Repräsentant der 41 Pagen des Schützenkönigs, hat klare Vorstellungen, wie sich seine Schützenlaufbahn entwickeln wird: "Ich möchte zu Papa in den Zug!" Fast alle Edelknaben, sie dürfen maximal 13 Jahre alt sein, bleiben auch später dem Schützentum treu.

Der Neusser Schützenverein hat bisher keine Jugendarbeit mit dem Ziel, Nachwuchs zu rekrutieren. Das war und ist auch nicht nötig. Doch das erste Kinderschützenfest war jetzt ein Erfolg. Schützenkönig Markus Reipen (43) und Reitersieger Axel Hebmüller (48) hatten die Idee, und einige Hundert Teilnehmer kamen, trotz Dauerregens. Da waren Paul Heldt (7) und Luca Kickert (7) dabei, die als Gildeknappen auch beim Schützenfest der Erwachsenen mitmarschieren. Die Söhne zogen ohne Druck der Väter die Uniform an, weil "Schützenfest cool ist". Für Paul und Luca steht fest, dass sie in einen Zug eintreten werden: "Natürlich bei der Gilde."

Da zeichnet sich ein Weg ab, den Sascha Karbowiak schon gegangen ist: Den Neusser Schützen wird der Nachwuchs nicht ausgehen.

(-lue)
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