New York New York erstarrt im Schnee

New · Es sollte ganz schlimm werden, aber es wurde vor allem ganz still. Aus Angst vor einem Monstersturm hat sich New York selbst lahmgelegt. In Boston wurde weiter vor einem heftigen Schneesturm - einem sogenannten Blizzard - gewarnt.

Stille liegt über New York, nur unterbrochen von einem lauten, tiefen Scheppern. Pausenlos drehen die großen Trucks der Stadtreinigung ihre Runden und schieben ihre Räumschilde lärmend und rasselnd durch die Straßen. Gegenverkehr müssen sie nicht befürchten, denn es herrscht Ausnahmezustand in der größten Stadt der USA: Büros sind geschlossen, Schulen ebenfalls, Autos wurden von den Straßen verbannt, alle Flüge abgesagt. In New York City herrscht Winterruhe. Grund dafür ist der Blizzard "Juno". Er hat stundenlang nicht nur über New York Schneemassen abgeladen. In Boston und Philadelphia erlahmte das öffentliche Leben ebenso.

Vor allem in Boston wurde gestern noch vor dem heranziehenden Schneesturm gewarnt. New York hingegen konnte aufatmen: Die Stadt, die sich sonst keine ruhige Minute gönnt, lag komplett im Winterschlaf - aus Vorsicht und vor Angst. Denn immer wieder sorgen schwere Schneestürme, sogenannte Blizzards oder Nor'easter, für Chaos in der Millionenmetropole, deren Infrastruktur schon bei normalem Wetter an ihre Grenze stößt. Wenn dann 50 oder 60 Zentimeter Schnee und Orkanböen vorhergesagt werden, geht selbst die Stadt, die niemals schläft, auf Nummer sicher.

Am Montagnachmittag bereits schlossen alle Schulen und Behörden, die Kindergärten machten früher zu, und die meisten Firmen gaben ihren Angestellten einen freien Tag. Selbst die Vereinten Nationen machten dicht, und die Metropolitan Opera schickte erst die Gäste und dann Weltklassesopranistin Anna Netrebko nach Hause.

Doch es kam alles nicht so schlimm wie befürchtet. Ja, es schneite stundenlang. Aber Rekordschnee? Fehlanzeige. Sturmböen in den Straßenschluchten New Yorks? Auch nicht. Und das Verkehrschaos blieb dank des Fahrverbots auch aus. "New York ist mit einem blauen Auge davongekommen", sagte gestern Morgen so ziemlich jeder Moderator im US-Morgenfernsehen. Und der Wetterdienst hob die Blizzard-Warnung auf.

"Das ist ein bisschen wie Weihnachten mit einem Monat Verspätung. Wir haben Schnee, und ich habe frei", sagte Greg Myles. Er zog seine Kinder auf einem Schlitten hinter sich her und lachte, obwohl sein Bart voller Schnee war. Auf der New Yorker Stadtautobahn, auf der sonst morgens die Autos Stoßstange an Stoßstange stehen, herrschte gähnende Leere. Und auf der First Avenue, sonst eine Verkehrsader in Manhattan, spazierten die Fußgänger, schnüffelten Hunde in teuren Markenpullovern an dampfenden Gullydeckeln, Mütter schoben die Kinderwagen über die vier Fahrspuren.

Als gegen 8 Uhr am Morgen das Fahrverbot aufgehoben wurde, wirkte New York wie ein Raucher nach langem Warten im Nichtraucherbereich: Sofort waren wieder Autos auf der Straße, die meisten quälten sich mühsam durch den dichten Schneematsch. Doch die Zahl der Fußgänger überwog, und statt Fluglärm und Autohupen hörte man Kinderlachen.

Tote oder Schwerverletzte gab es unmittelbar durch "Juno" nach ersten Erkenntnissen der Behörden nicht. Allerdings starb ein Jugendlicher beim Rodeln auf Long Island. Mehrere Jugendliche waren dort auf aufgepumpten Schläuchen aus Autoreifen einen Hang heruntergejagt, dabei stieß der 17-Jährige mit voller Wucht gegen einen Laternenpfahl. Er wurde sofort ins Krankenhaus gebracht, die Ärzte konnten ihn aber nicht mehr retten.

(RP)
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