Prozess um Nagelbombenattacke in Köln NSU-Nebenkläger wollen Geheimdienstchefin als Zeugin laden

Köln/München · Im NSU-Prozess wollen die Anwältinnen der deutsch-iranischen Familie, die im Jahr 2001 in Köln Opfer eines Bombenanschlags wurde, eine neue Spur auf mögliche Täter untersuchen lassen. Sie beantragten in der Verhandlung am Donnerstag, die ehemalige Präsidentin des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Mathilde Koller, als Zeugin zu laden.

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Foto: dpa, Frank Doebert

Hintergrund ist ein Aktenvermerk, dem zufolge die Bombe von einem vorbestraften Kölner Neonazi in das Geschäft gebracht worden sein könnte - und nicht von Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt, wie es die Bundesanwaltschaft annimmt.

Bei dem Anschlag war die 19-jährige Tochter der Familie schwer verletzt worden. Sie hatte eine Geschenkdose geöffnet, die ein Mann wenige Tage vor Weihnachten 2000 vorgeblich in dem Geschäft vergessen hatte. Darin befand sich der Sprengsatz. Der Vater und die Schwester der jungen Frau hatten diesen Mann gesehen. Nach ihren Angaben war damals ein Phantombild gezeichnet worden.

Der Verfassungsschutz teilte wenig später dem polizeilichen Staatsschutz in Köln mit, das Phantombild ähnele dem Kölner Neonazi. Eine Staatsschutzbeamtin fertigte darüber einen Vermerk. "Dieser Spur ist nicht in ausreichender und ordnungsgemäßer Weise nachgegangen worden", sagte Rechtsanwältin Christina Clemm. Dabei hätte sie zumindest Aufschluss darüber bringen können, welche Unterstützer der "Nationalsozialistische Untergrund" vor Ort hatte.

Vater und Tochter waren nach dem Auffliegen des NSU-Trios im Jahr 2012 erneut vernommen worden. Bei der Vorlage von Bildern schlossen sie aus, dass der Mann, der die Bombe in das Geschäft gebracht hatte, Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt gewesen sei. Beide wiederholten diese Aussage vor Gericht.

Der Kölner Neonazi sei im Jahr 1985 wegen eines Sprengstoffvergehens verurteilt worden, sagte die Anwältin unter Berufung auf den Aktenvermerk. Er habe außerdem eine Scharfschützenausbildung bei der Bundeswehr absolviert und gehöre bis heute einer rechtsextremen Gruppe namens "Kameradschaft Walter Spangenberg" an.

Die Bundesanwaltschaft hält bisher Mundlos oder Böhnhardt für den Überbringer der Bombe, weil der Anschlag auf das Geschäft der Familie im Selbstbekenner-Video des NSU auftaucht. Die Verteidigung von Beate Zschäpe hatte dagegen an einem früheren Verhandlungstag vermutet, die Urheber des Videos könnten sich als "Trittbrettfahrer" mit der Tat geschmückt haben.

Zu Beginn der Verhandlung am Donnerstag hatte ein Sprengstoffexperte des bayerischen Landeskriminalamtes detailliert beschrieben, wie die Bombe aufgebaut war und welche Wirkung sie entfaltete. Als Bombenmantel habe eine druckfeste Sauerstoffflasche gedient, die mit etwa einem Kilo Schwarzpulver befüllt worden war. Der Zünder sei mit dem Deckel der Geschenkdose verbunden gewesen, den die junge Frau damals geöffnet hatte.

In der Verhandlung hatte zudem eine Kölner Kriminalpolizistin eine weitere Ermittlungspanne offenbart. Sie räumte ein, nur bei Kölner Baumärkten und Heimwerkergeschäften nach der Herkunft der Sauerstoffflasche gefahndet zu haben, nicht aber anderswo im Bundesgebiet. Das habe die Kommissionsleitung so entschieden.

Als fruchtlos erwies sich die Befragung eines inhaftierten Bankräubers, der von einem früheren Komplizen eines Waffengeschäfts mit dem mitangeklagten Ralf Wohlleben bezichtigt wurde. Der Mann sagte, er habe weder Mundlos noch andere Helfer oder Mitglieder des "Nationalsozialistischen Untergrunds" je getroffen. Ein weiterer Zeuge, der in den 1990er Jahren derselben Jugendbande wie Uwe Böhnhardt angehörte, war am Donnerstag unentschuldigt nicht bei Gericht erschienen.

(lnw)
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