Plädoyers im NSU-Prozess Nebenklage attackiert Zschäpe und Bundesanwaltschaft
München · Nach zwei Monaten Stillstand wegen einer Kette von Befangenheitsanträgen hat in München eine neue Phase des NSU-Prozesses begonnen. Die Nebenkläger attackierten in ihren Plädoyers sowohl die Hauptangeklagte Beate Zschäpe als auch die Bundesanwaltschaft.
Die Kölner Rechtsanwältin Edith Lunnebach griff Zschäpe, die sich als Mittäterin an allen Morden und Anschlägen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" vor dem Oberlandesgericht verantworten muss, frontal an. Sie warf der mutmaßlichen Rechtsterroristin Menschenverachtung und dreiste Lügen vor und sprach sie direkt an: Man könne "nur hoffen, dass Sie, Frau Zschäpe, eines Tages das Ausmaß der Verbrechen, an denen Sie beteiligt waren, begreifen werden und Ihre tatsächliche Schuld spüren".
Lunnebach kritisierte, mit ihren schriftlichen Einlassungen habe Zschäpe ein "menschenverachtendes Rührstück" aufgeführt. Sie warf ihr "selbstbespiegelnde Weinerlichkeit" vor und bescheinigte ihr die Fähigkeit, situationsbedingt zu lügen - und die dreiste Erwartung, damit durchzukommen. Zschäpe müsse als Mittäterin verurteilt werden, forderte Lunnebach, stellte aber selbst keinen konkreten Strafantrag.
Bundesanwalt Herbert Diemer hatte in seinem Plädoyer die Höchststrafe gefordert: lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung.
Lunnebach griff aber auch Diemer massiv an: Sie warf den Anklägern unzureichenden Ermittlungseifer, eine Diskreditierung von NSU-Opfern und deren Angehörigen, Selbstgerechtigkeit und Unverschämtheiten gegenüber den Nebenklage-Anwälten vor. Insbesondere kritisierte sie, dass die Bundesanwaltschaft weiter davon ausgehe, dass es sich beim NSU um eine Terrorzelle aus lediglich drei Personen gehandelt habe.
Die Nebenklagevertreterin verzichtete auf eine eigene Strafmaßforderung für die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und die mitangeklagten vier mutmaßlichen NSU-Helfer. Die Bundesanwaltschaft hatte für Zschäpe die Höchststrafe - also lebenslange Haft, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung - gefordert. Für die Mitangeklagten forderte die Bundesanwaltschaft zwischen drei Jahren Jugendhaft und zwölf Jahren Gefängnis.
Insgesamt sollen sich nach den bisher bekannten Plänen von den Nebenklägern 55 Anwälte äußern. Deren Schlussvorträge sollen von einigen Minuten bis hin zu mehrere Stunden dauern. Auch einzelne Angehörige von Mordopfern kündigten an, selbst das Wort zu ergreifen. Die Plädoyers werden deshalb voraussichtlich mehrere Wochen dauern.
Im Anschluss an die Nebenkläger äußern sich die Verteidiger der fünf Angeklagten. Auch hier wird wegen der großen Zahl der Verteidiger eine mehrwöchige Dauer der Plädoyers erwartet. Wann in dem bereits seit viereinhalb Jahren dauernden Prozess geurteilt wird, ist noch immer nicht absehbar.