Prozess in München NSU-Plädoyers verzögern sich weiter

München · Der NSU-Prozess steht kurz vor der Zielgeraden. Wann er dort einbiegt, ist unklar. Wegen anhaltender Auseinandersetzungen zwischen Gericht und Verteidigern droht möglicherweise zunächst ein neuer Befangenheitsantrag.

 Die Angeklagte Beate Zschäpe zwischen ihren Anwälten Hermann Borchert (l.) und Mathias Grasel.

Die Angeklagte Beate Zschäpe zwischen ihren Anwälten Hermann Borchert (l.) und Mathias Grasel.

Foto: dpa, kne hpl

Die mit Spannung erwarteten Plädoyers im NSU-Prozess verzögern sich weiter. Das Münchner Oberlandesgericht lehnte am Dienstag erneut den Wunsch einer Reihe von Verteidigern ab, den Schlussvortrag der Bundesanwaltschaft auf Tonband aufzuzeichnen.

Zudem wies das Gericht die Forderung zurück, das Plädoyer alternativ mitstenografieren oder das Redemanuskript der Ankläger an die Verfahrensbeteiligten aushändigen zu lassen. Die Anwälte der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und des Mitangeklagten Ralf Wohlleben beantragten daraufhin eine Unterbrechung bis 11.30 Uhr, um über einen möglichen Befangenheitsantrag gegen das Gericht zu beraten.

Die Verteidiger hatten unter anderem argumentiert, es sei für ihre Mandanten unmöglich, 22 Stunden Schlussvortrag mit der nötigen Konzentration zu folgen. Diese Argumentation wies das Gericht gemeinsam mit allen Anträgen der Anwälte zurück. "Im deutschen Strafprozess herrscht das Prinzip der Mündlichkeit", sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl unter anderem zur Begründung.

Es bestehe kein Zweifel, dass die Angeklagten ihre Verfahrensrechte sachgerecht ausüben könnten, sagte Götzl. Zudem gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass auch nur einer "zu einfach strukturiert" wäre, um einem längeren Vortrag in deutscher Sprache zu folgen. Alle hätten Verteidiger, die ihnen zur Seite stünden, zudem würden Pausen eingelegt, um die Konzentrationsfähigkeit aufrechtzuerhalten.

 Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl (2.v.r.) und die Vertreter seines Staatsschutzsenats Gabriele Feistkorn (l.), Peter Lang (2.v.l.) und Konstantin Kuchenbauer (r.).

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl (2.v.r.) und die Vertreter seines Staatsschutzsenats Gabriele Feistkorn (l.), Peter Lang (2.v.l.) und Konstantin Kuchenbauer (r.).

Foto: dpa, kne hpl

Ursprünglich hätten die Plädoyers nach dem Willen des Gerichts schon am vergangenen Mittwoch beginnen sollen - nach mehr als vier Jahren Prozessdauer. Das juristische Hickhack über eine mögliche Tonbandaufnahme verhinderte dies aber. Wann die Anklage nun mit ihrem Schlussvortrag beginnen kann, war am Dienstag zunächst völlig offen.

Hauptangeklagte im NSU-Prozess ist die mutmaßliche Rechtsterroristin Zschäpe - ihr droht lebenslange Haft. Der 42-Jährigen wird Mittäterschaft an sämtlichen Verbrechen der rechtsextremistischen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" vorgeworfen. Zschäpe lebte fast 14 Jahre mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund. Die beiden Männer sollen während dieser Zeit zehn Menschen ermordet haben, neun von ihnen aus rassistischen Motiven.

Zschäpe soll von allen Morden gewusst und diese unterstützt haben; sie selbst bestreitet das. Neben Zschäpe und Wohlleben sitzen noch drei weitere mutmaßliche Terrorhelfer und -unterstützer auf der Anklagebank. Das Mammutverfahren hatte am 6. Mai 2013 begonnen.

(dpa/csr)
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