Wirbel um Platzvergabe beim NSU-Prozess Türkische Zeitung reicht Verfassungsklage ein

Karlsruhe · Der Streit um die Platzvergabe beim NSU-Prozess kommt vor das Bundesverfassungsgericht: Die türkische Zeitung "Sabah" legte per Eilantrag Beschwerde ein.

Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm bittet um Entlassung
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Das bestätigte ein Gerichtssprecher am Samstag in Karlsruhe. Wie andere türkische und ausländische Medien war "Sabah" bei der Vergabe der 50 festen Presseplätze nicht berücksichtigt worden. Der Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG) gegen das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe und Unterstützer der rechtsextremen Gruppe beginnt am 17. April in München.

Dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) werden Morde an neun Menschen mit türkischem und griechischem Migrationshintergrund und einer deutschen Polizistin zur Last gelegt. Das OLG hatte die Presseplätze nach der Reihenfolge des Eingangs der Anträge vergeben. Dabei gingen die meisten internationalen und alle türkischen Medien leer aus.

"Sabah" will sich nun über die Beschwerde beim Verfassungsgericht einen Platz in dem Prozess erstreiten, der auch in der Türkei viel Aufmerksamkeit erregt.

Eingereicht wurde der Eilantrag von dem Medienrechtler Ralf Höcker, der unter anderem den Wettermoderator Jörg Kachelmann in dessen Prozess um Vergewaltigungsvorwürfe vertreten hatte. Das Bundesverfassungsgericht will nach Angaben des Sprechers möglichst vor dem Prozessbeginn in München über den Antrag entscheiden. Wann genau ein Urteil fallen könnte, steht aber noch nicht fest. Das OLG lehnt es bislang ab, die Platzverteilung in dem Prozess zu ändern. Unter Verweis auf bestehende Rechtsvorschriften lehnt es bisher auch ab, etwa eine Videoübertragung in einen anderen Gerichtssaal zu ermöglichen.

Andere Rechtsexperten halten diese Variante für zulässig. Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) warf dem Gericht vor, die politische Dimension des NSU-Verfahrens verkannt zu haben. Es sei "unverzichtbar", dass Vertreter der Türkei und Griechenlands sowie Journalisten aus beiden Ländern Zugang zu dem Prozess bekämen, sagte er der "Süddeutschen Zeitung" vom Wochenende. Sonst werde "die internationale Resonanz verheerend" sein.

Ude äußerte die Hoffnung, dass das Gericht im Verhandlungssaal noch zusätzliche Stühle aufstellen lässt: "Meistens ist bei der Bestuhlung bei gutem Willen noch eine zusätzliche Reihe möglich, das weiß jeder Konzertveranstalter." Die ARD kündigte unterdessen an, eine Reporterin des WDR auf Deutsch und Türkisch über das Verfahren berichten zu lassen. Die Leiterin der türkischen Redaktion beim Funkhaus Europa, Ayca Tolun stehe damit auch türkischen Medien zur Verfügung.

Die ARD wollte einen ihrer Plätze beim Prozess ursprünglich zu Gunsten des türkischen Rundfunks aufgeben - das lehnte das Münchner OLG aber ab. Der Botschafter der Türkei in Deutschland, Hüseyin Karsioglu, bekräftigte seine Entschlossenheit, zum Prozessauftakt in München im Gerichtssaal präsent zu sein.

Das gebiete nicht nur sein Amt, sondern auch die inzwischen enge Verbindung zu den Familien der Mordopfer, sagte Karsioglu dem Berliner ""Tagesspiegel" (Sonntagsausgabe). Der Botschafter zeigte sich zuversichtlich, dass er für seinen Platz im Saal nicht Schlange stehen müsse: "Ich hoffe, dass bis zum Prozessbeginn eine Lösung gefunden werden kann. Dazu stehen wir mit den zuständigen Behörden in Kontakt."

(AFP/nbe/anch/felt/csi)
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