Wuppertal Radfahrer klagt auf freie Fahrt

Wuppertal · SCHWERPUNKT Ab heute tagt der Verkehrsgerichtstag in Goslar. Auf der Agenda stehen Fahrradfreundlichkeit von Städten, Fahrtests für Senioren und Verkehrsüberwachung.

Es geht nur um rund 300 Meter Straße durch Wuppertal, aber die haben Ulrich Schmidt bis vor das Verwaltungsgericht Düsseldorf geführt. Denn auf dem Teilstück der Bundesstraße 7, die das Tal als Hauptverkehrsachse durchschneidet, ist das Fahrradfahren verboten. Zu gefährlich, argumentiert die Stadt, zudem seien die Busspuren mit 3,50 Meter zu schmal für Bus und Radfahrer. Letztere werden deshalb umgeleitet, auf eine parallel geführte Ausweichstrecke. Schmidt will das nicht akzeptieren. "Wir hatten dort 20 Jahre lang keine Gefahrenlage", sagt der passionierte Radler, "und es sind so wenige Busse und Radfahrer unterwegs, dass sie sich fast nie ins Gehege kommen. Deshalb habe ich gegen die Sperrung geklagt." Gestern wies das Gericht die Klage ab. Begründung: Die Stadt habe die Situation ausreichend geprüft und die Ausweichroute sei eine gute Alternative.

Der Fall ist zwar speziell, spiegelt aber die Konflikte wider, die der zunehmende Mobilitätswandel in den Städten mit sich bringt. Einerseits fahren rund 50 Millionen Bundesbürger laut Allgemeinem Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Rad, davon elf Millionen täglich. "Auf der anderen Seite ist NRW aber ein absolutes Autofahrerland", sagt Daniel Wegerich, Geschäftsführer des ADFC in NRW. Historisch gesehen seien Radwege nicht entstanden, um Fahrradfahrern mehr Sicherheit zu bieten, sondern um sie als Hindernisse für Autofahrer von der Straße zu holen. Wegerich: ",Autofreundliche Stadt' galt früher als Qualitätsmerkmal. Das kann man nicht mal eben verändern."

Gleichwohl fordert der ADFC einen Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur. Denn die Unfallzahlen sind alarmierend. Jeden Tag stirbt in Deutschland ein Radfahrer bei einem Verkehrsunfall, alle sieben Minuten wird ein Radler verletzt. Auch der Verkehrsgerichtstag in Goslar befasst sich ab heute mit der Sicherheit des Radverkehrs. Unterstützung kommt auch von Automobilclubs. Die frühere Verkehrsplanung habe den Radverkehr "an den Rand gedrängt", sagt Matthias Knobloch vom Auto Club Europa. Jetzt müsse sie korrigiert werden.

Auch der Automobilclub von Deutschland (AvD) ist für mehr Fahrradspuren und Radwege. Ideal wäre eine vollständige Trennung des Radverkehrs vom Autoverkehr. Dies befürwortet auch der Präsident des Verkehrsgerichtstages: "Im Prinzip passen Rad- und Autoverkehr nicht zusammen", sagt Kay Nehm. Das Ziel könne nur sein: "Getrennte Radwege mit individueller Verkehrsführung für Radler."

Großen Nachholbedarf bei den Städten hinsichtlich besserer Verhältnisse für Radler sieht auch Peter London, der im Verkehrsministerium NRW die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte (AGFS) betreut. Rund 80 Gemeinden zählt die AGFS; wer dabei sein will, muss sich bewerben und alle sieben Jahre nachweisen, dass die Situation für Radler verbessert wurde, sonst endet die Mitgliedschaft. Marl etwa ist ausgeschieden, Wuppertal gehört nicht dazu. Laut London gehe es für die Städte vor allem darum, ein Infrastrukturangebot auf die Beine zu stellen, womit sich Radfahrer sicher fühlen. Denn die Grundangst von Radlern, sich im Straßenverkehr zu bewegen, sei oft hoch - selbst wenn die Verkehrsführung objektiv sicher sei.

Für ADFC-Geschäftsführer Wegerich ist die Diskussion schwierig, weil die Fronten zwischen Auto- und Radfahrern teils verhärtet sind. Vor allem, wenn es darum gehe, den ruhenden Verkehr zu beschneiden. "Es wird gern behauptet, dass weniger Kunden in die City kommen, wenn es keinen Parkraum mehr gibt", sagt Wegerich. Das Gegenteil sei aber der Fall: "Studien zeigen, dass dann verstärkt Fußgänger und Fahrradfahrer einkaufen gehen. Das sind treue Kunden, die mehr Geld ausgeben als Autofahrer."

Bis es soweit ist, gilt es noch viele Vorurteile abzubauen. Immerhin ist es Wuppertal gelungen, im letzten Fahrradklima-Test des ADFC sieben Plätze gutzumachen. 2012 war die Stadt noch bundesweites Schlusslicht. Ob der aktuelle Gerichtsstreit ein Indiz dafür ist, dass es in Wuppertal für Radler wieder bergab geht, wird die neue Auswertung zeigen, die der ADFC im März vorlegt.

(RP)
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