TV-Talk mit Sandra Maischberger Liebesgrüße von Oskar Lafontaine

Düsseldorf · Sandra Maischberger diskutierte mit ihren Gästen über die soziale Gerechtigkeit im Land, die wirtschaftliche Stärke Deutschlands und die Abstiegsängste der Bürger. Oskar Lafontaine nutzte die Diskussion vor allem dazu, ganz ungeniert um die SPD zu werben.

Das waren die Gäste bei Sandra Maischberger zum Thema Agenda 2010
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Das waren die Gäste bei Maischberger zum Thema Agenda 2010

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Foto: WDR/Max Kohr

Darum ging's

Das SPD-Wahlkampfprogramm nimmt immer weiter Gestalt an und war bei Maischberger das beherrschende Thema. Die Moderatorin wollte von ihren Gästen wissen, wie gerecht Deutschland ist — und wie das Programm von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz das Land verändern könnte. Ihre Frage: "Schluss mit Agenda 2010: Macht Martin Schulz das Land gerechter?"

Darum ging's wirklich

Die Rollen in der Diskussion waren eigentlich klar verteilt: auf der einen Seite diejenigen, die Deutschlands florierende Wirtschaft lobten und an der Agenda 2010 festhalten wollten. Auf der anderen Seite diejenigen, die vor sozialer Kälte im Land warnten und die Agenda 2010 abschaffen wollten. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft versuchte, sich irgendwo dazwischenzusetzen. Ihr ehemaliger Parteigenosse Lafontaine machte der SPD unterdessen von links ganz unverhohlen Avancen.

Die Gäste

  • Hannelore Kraft (SPD), Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen
  • Oskar Lafontaine (Die Linke), Fraktionsvorsitzender Saarland
  • Ralph Brinkhaus (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag
  • Ulrich Wockelmann, Langzeitarbeitsloser und Hartz-IV-Gegner
  • Thomas Selter, Familienunternehmer

Der Frontverlauf

Sandra Maischberger eröffnete ihre Runde mit der Frage, wie gut es den Menschen in Deutschland auf einer Skala von eins bis zehn gehe. Linken-Politiker Lafontaine vergab zwei bis drei Punkte, SPD-Vize Kraft sieben Punkte und CDU-Politiker Brinkhaus acht bis neun Punkte. Damit war der Frontverlauf der Diskussion geklärt. Auf die Seite von Brinkhaus schlug sich im Laufe der Sendung Familienunternehmer Thomas Selter, während Hartz-IV-Gegner Ulrich Wockelmann die soziale Situation vor allem vieler Arbeitsloser vehement kritisierte.

Eingekeilt zwischen Linken und CDU versuchte Kraft den Spagat, die Agenda 2010 weder zu verteufeln noch sie wirklich gutzuheißen. "Es geht darum, es differenziert zu betrachten", so Kraft. Es gebe eben nicht nur Schwarz und Weiß. "Wir haben ständig Änderungen vorgenommen, 2006, 2008, 2011", so Kraft weiter. Die Einführung des Mindestlohns sei ein Beispiel dafür. Bei großen Reformen wie der Agenda 2010 stelle man fest, was wirke und was nicht wirke. "Nun muss man eben weiter anpassen", fand Kraft. Dafür stehe auch das Wahlkampfprogramm. Selbst Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder habe immer gesagt, wenn Änderungen notwendig seien, müssten die vollzogen werden. Um ein von Maischberger gefordertes Lob an Schröder drückte sich Kraft dann aber entschlossen herum.

Das Lob kam stattdessen von CDU-Mann Brinkhaus. "Gerhard Schröder hat sich verdient gemacht um dieses Land", so Brinkaus und fügte an: "Das war gut für Deutschland!" Zwar sei es richtig, dass nicht alle Menschen in Deutschland von diesem Erfolg profitierten. Aber während die SPD nun von der Agenda-Politik Abstand nähme und sich in die Vergangenheit zurückwünsche, wolle die CDU über die Zukunft sprechen. "Wie schaffen wir es, dass es uns weiterhin so gut geht?", sei die Kernfrage, die seine Partei beantworten wolle. Ein Rückrollen der Agenda 2010 bedeute hingegen ein Blick zurück.

Bei dieser Frage hatte Brinkhaus Unternehmer Selter im Rücken. "Es gibt keinen Staat in Europa, der so gut dasteht", diagnostizierte dieser die Situation Deutschlands. Einen großen Anteil am Erfolg habe die Agenda 2010. Die SPD, fand Selter, sollte zu diesem Erfolg stehen. Im Grunde sei die Reform aber "durch und durch neoliberal" und "das mögen linke Funktionäre zum Verrecken nicht leiden". Die Reformen wieder rückgängig zu machen, hielt Selter für "völlig falsch".

"Wir wollen wieder Arbeitslosigkeit finanzieren, statt Leute wieder in Arbeit zu bringen", kommentierte er den Vorschlag zum Arbeitslosengeld Q von Kanzlerkandidat Schulz. Die Grundidee Qualifizierung sei zwar gut, doch die Agentur für Arbeit wäre davon völlig überfordert, sagte Selter. Das war vielleicht die einzige Einschätzung des Abends, die Selter mit Wockelmann teilte, der in seinem Verein Arbeitslose betreut und selbst seit 1996 keine bezahlte Arbeit mehr hat. Die Agentur für Arbeit finanziere "alberne Trainingsmaßnahmen, wo Leuten das Arbeiten abtrainiert werde", sagte Wockelmann.

"Ich finde das mit der Qualifizierung geradezu lustig", sagte er. Noch kritischer äußerte er sich gegen Sanktionen, die gegen Arbeitslose seit der Agenda 2010 verhängt werden können. "Was sich aufgebaut hat, ist eine Schikane", befand er. Es werde kaum gefördert und nur noch gefordert.

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Linken-Politiker Lafontaine konnte dem nur zustimmen. Die Liste seiner Beschwerden an der Agenda 2010 war erwartungsgemäß lang. "Der Gemeinschaftsgeist ist zerstört worden", sagte Lafontaine. Angst und Druck hätten zugenommen. "Den Leuten geht's schlechter", fasste er selbst kurz zusammen. Lafontaine zeigte sich überzeugt, auch ohne die Veränderungen am Arbeitsmarkt hätte die Wirtschaft in Deutschland funktioniert. Man brauche einen Sozialstaat, der die Menschen nicht in Angst und Schrecken versetze.

Schulz' Wahlprogramm begrüßte er deshalb. Mit Blick auf die SPD stichelte er immer wieder, mit wem die ihre Ideen im Bund denn würden umsetzen wollen. "Mit FDP und CDU können sie das in die Mülltonne treten", sagte Lafontaine. Andererseits gäbe es jetzt schon die Möglichkeit, mit der Linken im Bund zusammenzuarbeiten, eine Mehrheit hätte man ja.

Lafontaines Avancen kommentierte Kraft trocken mit: "Machen Sie doch nicht so eine Show." Wenn sie sich die Themen Außenpolitik, Europapolitik und Verteidigungspolitik der Linken ansehe, fände sie das alles schwierig, sagte Kraft. CDU-Mann Brinkhaus nahm Lafontaines Umgarnungen der SPD dennoch gerne auf. Wenn es nach der Bundestagswahl reicht, würde Schulz sicher auf Rot-Rot-Grün setzen, prognostizierte er. Doch er warnte: "Die Welt ist einfach nicht so einfach, wie Lafontaine sie macht." Der Anspruch der CDU sei es stattdessen, etwas "Seriöses und Stabiles" zu schaffen.

Das wahrste Wort des Abends

"Es gibt ein Liebeswerben." (Sandra Maischberger über Oskar Lafontaines Avancen in Richtung SPD und Hannelore Kraft)

Fazit

SPD-Kanzlerkandidat Schulz hat die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit zum Wahlkampfthema gemacht. Dass dieses Thema für die SPD zwischen CDU und Linken nicht immer ganz einfach werden dürfte, hat sich in der Runde bei Maischberger allerdings bewiesen.

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