Düsseldorf Sind Zoos noch zeitgemäß?

Düsseldorf · Auch im größten Käfig hat ein Tiger viel weniger Platz als in freier Wildbahn. Tierschützer fordern deshalb die generelle Abschaffung der Zoos. Doch damit gefährden sie auch Projekte zum Schutz der Wildnis.

Der Protest in Deutschland wächst, den Zoos schlägt ein rauer Wind entgegen. Die Haltung der Tiere dort sei nicht artgerecht, manche Tierschutzorganisationen sehen in den Zoos nur Überbleibsel vergangener Zeiten, als Menschen für das Schicksal der Tiere noch kein Gespür hatten. Heute, so der Vorwurf, hätten Zoos keine Berechtigung mehr.

"Wenn ein Tiger entscheiden müsste, ob er lieber in der freien Wildbahn oder im Zoo leben will, wird er sich gegen den Zoo entscheiden", sagt Dalia Amor Conde, Biologin am Max-Planck-Institut in Rostock. Die gebürtige Spanierin weiß, wovon sie spricht: Sie hat jahrelang Jaguare und andere Wildkatzen in freier Wildbahn beobachtet. Dennoch hat sie kein schlechtes Gewissen, wenn Tiger oder Löwen im Zoo gezeigt werden. "Ein guter Zoo gibt Tieren Platz, Rückzugsmöglichkeiten und vor allem Beschäftigung", erklärt Conde – und gibt zu, dass längst nicht alle Zoos diese Bedingungen erfüllen. Unbestritten: Der Renovierungsbedarf in den Zoos ist weltweit groß.

Dafür scheinen auch Tierfreunde ein feines Gespür zu besitzen. 34,5 Millionen Besucher zählten die deutschen Zoos im Jahr 2010. Diese Zahl sinkt nicht etwa, sondern sie steigt nach Angaben des Verbands deutscher Zoodirektoren (VDZ) jährlich um zwei Prozent – allerdings nur dort, wo ein Zoo in neue Anlagen investiert. Das meint: moderne Gehege, die fast immer mehr Platz und Abwechselung für die Tiere bieten. Das Publikum eines Zoos ist bunt gemischt wie bei sonst kaum einem anderen Freizeitangebot: Jung und Alt, arm und reich – für Tiere interessieren sich alle.

Bei der Tierhaltung im Zoo müsse man immer Zugeständnisse machen, erklärt Conde. "Aber viele Tierschützer sehen nicht den großen Rahmen: Ohne die Tiere im Zoo wäre die Unterstützung für den Erhalt ihrer Lebensräume deutlich geringer", sagt sie. Das Kalkül: Ein Zoobesucher, der einige Zeit einen Orang-Utan beobachtet hat, setzt sich leichter für den Erhalt der Regenwälder auf Borneo ein – und spendet mehr Geld. Wer nie einen Zoo besucht habe, dem fehle oft das emotionale Verhältnis zu den Tieren, sagt Conde. Was theoretisch klingt, bestätigt jeder Menschenauflauf vor den Tierbabys und ist zudem die praktische Erfahrung vieler Naturschützer. Zootiere werden nach dieser Argumentation zum Botschafter für die gute Sache.

Zudem spielt Artenschutz in den Zoos immer noch eine große Rolle. 850 Tierarten werden durch Zuchtbücher und regionale Zuchtprogramme unterstützt, berichtet der VDZ. Für den Erhalt des natürlichen Genpools sei das unverzichtbar. Einige Tierarten konnten nur deshalb auf der Erde überleben, weil in den Tierparks gezielte Programme zur Nachzucht erfolgreich waren: Das schönste Beispiel liefert der kalifornische Condor. Als es nur noch einige Dutzend freilebende Tiere gab, wurden davon einige gefangen und im Zoo von San Diego begann ein Zuchtprogramm. "Die Tiere einzusperren, hat am Ende ihre Art gerettet", sagt Conde, man müsse stets beide Seiten abwägen.

Die Zoogegner werten solche Erfolge als Feigenblatt, als Einzelfälle, mit denen Zoos von der Wirklichkeit ablenken wollen. Die Tiergärten seien Wirtschaftsbetriebe geworden, die ihre Sammlung überwiegend nach der Beliebtheit beim Publikum bestücken. Leider ist das Kriterium "steht auf der Roten Liste" für Zoobesucher nicht attraktiv.

(RP)
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