Sommer der Wiederholungen

Wiederholungen, Sendepausen und Urlaubsfüller: ARD und ZDF lassen ihre Zuschauer in der Ferienzeit links liegen und hecheln den Privatsendern hinterher, deren TV-Saison 2011/2012 aus Vermarktungsgründen im Herbst beginnt.

KÖLN/MÜNCHEN In den meisten deutschen Haushalten ist das Sommerloch viereckig und hat einen diagonalen Durchmesser von gut einem Meter. Es steht im Wohnzimmer und derzeit flimmert auf ihm, je nach Modell mit LED-Hintergrundbeleuchtung und in Full-HD, die öffentlich-rechtliche Langeweile. Urlaubsfüller, Sendepausen und Wiederholungen prägen das ARD- und ZDF-Programm noch bis in den Herbst. Allein in den beiden Programmwochen zwischen dem 30. Juli und dem 12. August bestreiten ARD und ZDF ihre 20.15-Uhr-Sendeplätze mit 17 Wiederholungen. Dem stehen lediglich neun Erstausstrahlungen und drei Live-Fußballspiele gegenüber.

Wiederholungen machen bei der ARD im Jahresdurchschnitt ein Drittel des Programms aus. Im Sommer stellen die öffentlich-rechtlichen Sender die Statistik quer durch alle Sparten auf den Kopf. Die erste Riege ihrer Welt-Erklärer schickten ARD und ZDF schon immer parallel zum Bundestag in die Ferien. Frank Plasberg ist bis zum 5. September weg, Maybrit Illner bis zum 8. September. Sandra Maischberger kommt am 30. August wieder, Anne Will am 31. August. Bei politischen Talk-Sendungen und hitzeempfindlichen Süßwaren macht eine Sommerpause durchaus Sinn. Auf das gebührenfinanzierte Fernsehen wirkt sie dagegen selbstbeschädigend.

Denn die öffentlich-rechtliche Kernzielgruppe ist 50 Jahre und älter. Diese Zuschauer verreisen nicht während der Schulferien. Dennoch wird ihnen selbst der Sonntags-"Tatort" der ARD bis zum 14. August wie schon in den vergangenen Wochen als Wiederholung vorgesetzt. Wenn Reinhold Beckmann am 1. September wieder auf Sendung geht, hatte er 86 Tage Urlaub. Auf rekordverdächtige 97 Tage Sendepause kommt die satrische ZDF-"Wochenshow".

Ohne jede Not, aber gegen die Interessen der eigenen Zuschauer folgt das Unterhaltungsprogramm von ARD und ZDF dem Jahreskalender der Privatsender. Deren neue TV-Saison beginnt traditionell im Herbst, wenn bei den 14- bis 49-Jährigen die Einschaltquoten wieder steigen. RTL und Prosieben/Sat.1 haben ihren Programm-Rhythmus konsequent den Vermarktungsmöglichkeiten und Buchungs-Zyklen der Werbewirtschaft angepasst. Die meisten Werbemillionen lassen sich zwischen September und Mai verdienen, im Juni, Juli und August verfallen die Preise dagegen regelrecht.

Für die Privaten, die kaum über andere Einnahmen verfügen, geht es um die Existenz – und gewaltige Summen. Allein mit Günther Jauchs "Wer wird Millionär" nimmt RTL laut einem Bericht des Manager-Magazins 101 Millionen Euro ein, mit "Deutschland sucht den Superstar" 67,9 Millionen. Prosieben verdient mit Stefan Raabs "TV total" immerhin noch 39 Millionen.

Bei einem Umsatz von fast elf Milliarden Euro legten die Nettoeinnahmen für Fernsehwerbung 2010 um 8,6 Prozent auf 3,95 Milliarden Euro zu. ARD und ZDF könnte der Zusammenhang zwischen Jahreszeit und Werbeeinnahmen nahezu gleichgültig sein: Sie verdienten gemeinsam an der Fernsehwerbung in 2010 netto weniger als 300 000 Euro. Ihre Einnahmen aus GEZ-Gebühren sind mit 7,56 Milliarden Euro aber fast doppelt so hoch wie die Werbeerlöse aller privaten Fernsehsender zusammen.

Dass Sat.1 seinen Einkauf Harald Schmidt bei einer Investition von angeblich 8,3 Millionen Euro erst am 13. September starten lässt, macht aus Vermarktungsgründen Sinn. Dass die ARD mit dem Start von Jauch, dem sie ohne Gegenerlöse angeblich 10,5 Millionen Euro pro Jahr zahlt, bis zum 11. September wartet, erklärt sich nur aus der Jagd nach Einschaltquoten. Nach der Quoten-Logik war es wohl konsequent, dass das ZDF sein Kinder-Ferienprogramm bereits 1989 ersatzlos zu Gunsten von mehr Wiederholungen eingestellt hat. Der Marktanteil des Senders in der Altergruppe der Drei- bis 13-Jährigen ist seither auf 2,2 Prozent gesunken.

(RP)
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