Frankreich unter Schock Stern weg - Starkoch begeht Selbstmord

Paris (rpo). Sind Restaurantkritiker schuld am Selbstmord des französischen Starkochs Bernard Loiseau? Der 52-Jährige schoss sich offenbar mit einem Jagdgewehr eine Kugel in den Kopf. Vorher hatte der Restaurantführer GaultMillau ihm zwei Sterne abgesprochen.

Zahlreiche Küchenchefs kritisierten am Dienstag den immensen Druck, den die Feinschmeckerbibeln mit ihren alljährlichen Bewertungen ausübten.

Starkoch Bocuse sagte, die Abwertung von 19 auf 17 bei 20 möglichen Punkten habe Loiseau schwer getroffen. "Bravo GaultMillau, Sie haben gewonnen. Ihr Urteil hat einem Menschen das Leben gekostet", zitierte ihn "Le Parisien". Loiseaus Mitarbeiterin Christine Leconte im burgundischen Saulieu sagte, sicherlich habe ihm das Urteil zu schaffen gemacht. Dies allein könne den Tod aber nicht erklären. "Ich denke, da kommt mehreres zusammen." Loiseau sei müde und erschöpft gewesen. Seine Witwe Dominique Loiseau beschrieb ihn als zerbrechlichen und mitunter von Zweifeln zerrissenen Menschen.

Der Chef des GaultMillau, Patrick Mayenob, wies alle Vorwürfe zurück. Er könne sich nicht vorstellen, dass die Herabstufung etwas mit dem Tod Loiseaus zu tun habe, sagte er dem Fernsehsender LCI. "Eine Note oder ein Stern weniger tötet nicht. Bernard Loiseau, dieser große französische Küchenchef, hatte sicherlich andere Probleme, andere Sorgen." Die Behörden bestätigten am Dienstag zunächst nicht, dass der Koch sich in seinem Haus in Saulieu umgebracht habe. Seine Leiche sollte obduziert werden.

Loiseau war mit zahlreichen Fernsehsendungen und Radiorubriken zu einem der bekanntesten Köche Frankreichs aufgestiegen. Er führte vier Restaurants und brachte als erster Franzose sein Kochimperium an die Börse, um seinen Expansionskurs finanzieren zu können. Seinen Ruhm begründete der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Küchenchef mit dem "La Côte d'Or" in Saulieu, das 1991 erstmals vom Guide Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet wurde. Seine der Tradition verpflichtete Küche wurde vor allem wegen ihrer leichten und fettarmen Saucen berühmt. Der rührige Unternehmer warb mit seinem Konterfei auch für Tiefkühlprodukte.

Der Radiosender RTL, für den Loiseau regelmäßig arbeitete, berichtete, der Koch habe sich wegen Berichten über eine bevorstehende Abstufung unter Druck gefühlt und habe sich wieder mehr um seine Restaurants kümmern wollen. Der Guide Rouge, der frühere Guide Michelin, zeichnete ihn in seiner jüngsten Ausgabe weiter mit drei Sternen aus.

Die Haute Cuisine reagierte geschockt auf das Drama. "Le Parisien" zitierte den Drei-Sterne-Koch Jacques Lameloise mit den Worten, Loiseau habe ihm anvertraut: "Wenn ich einen Stern verliere, bringe ich mich um." Die Kritiker spielten mit den Auf- und Abwertungen ein Spiel, beschwerte sich Lameloise: "Ich denke, daran ist er zerbrochen." Sein Kollege Christophe Leroy sagte, wenn man die Spielregeln mit Sternen und Punkten akzeptiere, "tritt man in eine Höllenspirale ein".

Der gerade vom GaultMillau mit der Höchstwertung von 20 Punkten geehrte Spitzenkoch Marc Veyrat berichtete "France-Info": "Wir erwarten die Ergebnisse der Restaurantführer mit Ungeduld. Wir haben Angst und sind hektisch." Die Küchenchefs seien extrem empfindlich, "weil wir von allen Seiten Druck bekommen und kein Recht haben, einen Fehler zu begehen".

Paul Bocuse sagte laut "Le Parisien": "Wir können uns nicht so manipulieren lassen. Ich gebe dir einen Stern, ich nehm dir einen Stern weg. Ich gebe dir Punkte und nehm sie wieder weg. Die Kritiker sind wie Eunuchen: Sie wissen, wie es geht, aber sie können es nicht." Die Branche werde reagieren, kündigte der große alte Mann der Haute Cuisine an.

Schon einmal war ein französischer Küchenchef an seinem Beruf zerbrochen: Francois Vatel brachte sich der Legende zufolge 1671 wegen Pannen bei einem Festmahl für den Sonnenkönig Ludwig XIV. um. Als auch noch zu wenig frischer Fisch angeliefert wurde, soll Vatel erklärt haben: "Diesen Affront überlebe ich nicht" - und tötete sich mit seinem Degen.

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