Dortmund Tabakmesse – das letzte Raucherparadies

Dortmund · Auf der "inter-tabac" in Dortmund diskutierten Zigarettenhersteller und -Händler über die Zukunft der Branche.

So etwa muss es in der Vorhölle für Nichtraucher riechen: Der Qualm steht in der Messehalle 4, Nebelbänke aus Zigaretten- und Zigarrenrauch wabern über den Ständen der weltweit größten Fachmesse für Tabakwaren und Raucherbedarf, die mit 400 Ausstellern auf mehr als 30 000 Quadratmetern einen neuen Rekord feiert. Und einen kleinen politischen Sieg: Es darf weiter geraucht werden auf der "inter-tabac"; NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) musste klein beigeben.

Helmut (59) lehnt an dem Stand von Reemtsma an der Theke und raucht sich durch den Teil des Sortiments, den er noch nicht kennt. Mit seiner Schwester betreibt der Bochumer einen größeren Kiosk mit Lottoannahmestelle. Spaß mache das Geschäft schon lange nicht mehr. "Die gehen bei mir gar nicht", sagt Helmut über Reemtsmas jüngste Umsatzbringer: Zigaretten frei von Zusätzen, die der Nummer zwei im deutschen Markt (Umsatz im ersten Halbjahr 2013: 513 Millionen Euro, 15,5 Milliarden Zigaretten) gerade Rekorde beschert haben.

Mit dem Handel, der im ersten Halbjahr 5,5 Prozent Umsatz verloren hat, sind trotz der Steuererhöhung auch die Einnahmen des Bundes um 100 Millionen auf 5,7 Milliarden Euro gesunken. 2014 soll die Steuer noch einmal steigen. "Das ist doch alles Wahnsinn", sagt Helmut und probiert eine blaue Gauloises ohne Zusätze. "Schmeckt für mich nach nichts. Und 5,10 Euro für 19 Zigaretten, das kann sich bei uns kaum einer leisten", sagt er.

Für Helmuts Klientel, die das Rauchen eigentlich nicht aufgeben, aber am Tabak sparen will, hat der Zigarettenpapier-Hersteller Gizeh ein neues Angebot: Das Traditionsunternehmen aus Gummersbach bewirbt seine neuen "Extra-Hülsen", in die Raucher den Tabak selbst stopfen. Helmut ist inzwischen bei Sorte Nummer vier angekommen. Wieder eine braune Schachtel, wieder ohne Zusatzstoffe. "Vielleicht ist das ja die neue Welt, wenn die Bekloppten in Brüssel ernstmachen", sagt er.

Die "Bekloppten" sind die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die am 8. Oktober über eine neue "Tabakprodukt-Richtlinie" abstimmen sollen. Für die Branche ist der Entwurf ein Katalog des Horrors: Schockbilder auf den Packungen, Verbot von Zusatzstoffen und Slim-Zigaretten, und, und, und. "Das gefährdet die wirtschaftliche Existenz von 8000 Fachhändlern und die Arbeitsplätze ihrer 25 000 Angestellten ", so Rainer von Bötticher, Präsident des Bundesverbands des Tabakwaren-Einzelhandels. Patrick Engels, der Vorsitzende des Verbands der deutschen Rauchtabakindustrie, sagt noch drastischer: "Die Novelle stellt an vielen Stellen ein Vernichtungsprogramm für kleine und mittelständische Anbieter von Tabakerzeugnissen."

Helmut muss weiter, er will noch zu den Anbietern von Zubehör-Produkten. Draußen vor der Tür sind die nicht einmal 20 Demonstranten des "Forum Rauchfrei" inzwischen abgezogen, beachtet hat sie niemand. Die Fachmesse mit rund 8000 Besuchern ignoriert solche Mini-Proteste einfach. Helmut will 2014 wiederkommen, falls er und seine Schwester bis dahin nicht aufgegeben haben. "Das ist ja der letzte Platz in NRW, wo man drinnen zum Kaffee im Sitzen eine Zigarette rauchen kann", sagt er.

(RP)
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