Reemtsma-Entführer aus dem Gefängnis entlassen Thomas Drach kommt frei

Hamburg · Nach mehr als 15 Jahren wird Thomas Drach aus dem Gefängnis entlassen. Große Teile des Lösegelds fehlen bis heute.

Der mittlerweile 53 Jahre alte Thomas Drach wird bereits im Laufe dieses Monats gegen Auflagen aus der Haft entlassen, teilte die Hamburger Justizbehörde gestern mit. Den genauen Termin wollte ein Sprecher nicht nennen: "Wir machen das grundsätzlich nie bei Strafgefangenen." Schließlich habe jeder ein Recht auf Resozialisierung.

Drach und seine Komplizen hatten den Millionenerben Jan Philipp Reemtsma im Frühjahr 1996 vor seinem Haus in Hamburg-Blankenese überwältigt. Viereinhalb Wochen lang hielten sie ihn in einem Verlies in der Nähe von Bremen fest — angekettet stand er Todesangst aus. Gegen ein Lösegeld von 15 Millionen Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken war Reemtsma schließlich freigekommen. Nur ein Bruchteil der Beute ist bisher aufgetaucht.

Wo Drach die Millionenbeute aus der Reemtsma-Entführung versteckt hat, ist völlig unklar. Über den Verbleib des Geldes schweigt er eisern. Die Ermittler wollen natürlich verhindern, dass der 53-Jährige künftig wieder auf großem Fuß lebt — wie gleich nach der Entführung, als er sich nach Südamerika abgesetzt hatte. In einen Nobelbadeort in Uruguay, mit Villa in bester Lage und Traumauto. Reemtsma hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass Drach dort verhaftet werden konnte. Von ihm beauftragte Ermittler machten den Entführer 1998 in Südamerika ausfindig.

Im Prozess Ende 2000 saß Reemtsma als Nebenkläger im Gerichtssaal. In einem Buch, in dem er versucht hat, die 33 Tage in Gefangenschaft zu verarbeiten, schreibt er über die verlorenen Millionen: "Was alles hätte man mit diesem Geld machen können, das nun, bevor es von den Verbrechern selbst wahrscheinlich teils verspielt und verprasst, teils für die Vorbereitung weiterer Verbrechen genutzt, mehrheitlich von irgendwelchen Geldwäschern kassiert werden würde."

Für Reemtsma war das Verbrechen eine Tortur. Für Drach ein Geschäft, wie sein Opfer erschüttert feststellte. "Ihr müsst es als eine Art brutale Geschäftsabwicklung auffassen", schrieb Reemtsma 1996 während der Gefangenschaft in einem Brief an seine Frau und seinen Sohn: "Geld gegen mein Leben." Drach habe stets versucht, von sich das Bild eines sachlichen Geschäftsmanns zu zeichnen. Doch Reemtsma sieht in ihm eine "Mischung aus zur Schau gestellter Professionalität und Angeberei".

Die Entführung des Millionenerben ist in die bundesweite Kriminalgeschichte eingegangen und gilt bis heute als eine der brutalsten und spektakulärsten Entführungen überhaupt. Drach hatte schon vor der Entführung eine lange kriminelle Karriere hinter sich. Mit 13 klaute er Autos, mit 18 überfiel er einen Supermarkt, später raubte er eine Bank aus. Die Straftaten brachten ihm fast zehn Jahre hinter Gittern ein.

Kurz vor seiner zunächst geplanten Entlassung Mitte 2012 kam Drach erneut vor Gericht — und wieder ging es um das Rekordlösegeld. Das Hamburger Landgericht verurteilte ihn damals wegen versuchter Anstiftung zur räuberischen Erpressung zu 15 Monaten Haft. Drach hatte nach Überzeugung der Richter mit zwei Briefen aus der Haft heraus versucht, einen Bekannten zur Erpressung seines jüngeren Bruders zu bringen, weil er Angst gehabt haben soll, dass sich sein Bruder an den Lösegeld-Millionen vergreift. Die Staatsanwaltschaft hatte bei dem Prozess damals Sicherungsverwahrung beantragt, um Drach sehr lange wegzusperren. Weil er aber zu weniger als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, konnte die Sicherungsverwahrung nicht verhängt werden — darum kommt er jetzt auf freien Fuß.

(csh/dpa)
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